Erfurt. Die Libera lebt im Training wie im Spiel das vor, was Erfurts Schwarz-Weiß-Volleyballerinnen vor allem im so wichtigen Bundesliga-Duell gegen Wiesbaden brauchen. Den Kampf um jeden Ball

Der Plan ist dicht gestaffelt: Athletik-Training am Morgen, am frühen Nachmittag eine Einheit mit dem Ball, später Videoanalyse. Ein gewöhnlicher Donnerstag für die Bundesliga-Volleyballerinnen von Schwarz-Weiß Erfurt. Für ein Gespräch dazwischen nimmt sich Michelle Petter gern Zeit. Nur muss es zügig vonstatten gehen. Sie will keine Trainingssekunde verpassen.

Zu spät kommen, nein, das käme für sie nicht in Frage. Nicht mal das, auch nur eine freiwillige Einheit zu versäumen. „Sie ist gewöhnlich die Erste“, sagt Schwarz-Weiß-Coach Florian Völker, „und oft die letzte im Training“, lobt er die Libera. Einsatz ist für die 23-Jährige nichts Besonderes, eher eine Selbstverständlichkeit. Erst recht auf dem Feld.

Der Ball von Ivana Vanjak kommt hart, diagonal. Blitzschnell kratzt Michelle Petter das Geschoss von Münsters Top-Angreiferin vom Boden, auch das zweite verteidigt sie, ehe Danielle Brisebois kontert.

Vier Satzbälle abgewehrt, und dann: Jubel pur

Vier Satzbälle des USC haben die Schwarz-Weißen an dem Mittwoch abgewehrt, um dann den ersten Matchball nach zwei großen Rettungstaten ihrer Libera zum 3:1-Sieg zu versenken. Der Rest: Jubel.

„Cool, dass wir ausgerechnet die waren, die Münsters kleine Serie beenden konnten“, denkt Michelle Petter gern an diesen 29. Januar. Eine riesige Last fällt nach dem ersten Drei-Punkte-Sieg von den Erfurterinnen ab. Spätestens an dem Tag ist Schwarz-Weiß angekommen in der Bundesliga. Die Frohnatur aus Dresden ist es längst, auch wenn nicht immer alle Wünsche in Erfüllung gehen. Wertvollste Erfurter Spielerin zuletzt in Straubing, eine starke Leistung gegen ihren Ex-Verein Dresdner SC. Nur zu Punkten reicht es für sie und ihre Erfurter oft nicht. Zu Lob wie so oft sehr wohl.

Dresdens Trainer Alexander Waibl ist schwer angetan von dem, was Michelle Petter vor einigen Wochen aufs Parkett legt. „Dass sie der beste Typ ist, den man sich als Libero wünschen kann“, steht für ihn außer Frage. Er kennt die Blondine lange, die in Dresdens Nachwuchs-Schmiede groß geworden ist.

„Michi“, wie sie von vielen gerufen wird, füllt die Position des Retters in höchster Not aus. Und sie lebt die Aufgabe. Ob die Bälle mit Feuer kommen oder mit Feingefühl, verloren gibt sie diese erst, wenn er vor den Fingerspitzen den Boden berührt. Selbst bei einem 0:3 wie eben gegen Pokalsieger Dresden. „Michi ist so eine Anschieberin“, sagt Waibl. „Sie ist nie schlecht gelaunt. Sie kommt immer wieder ins Training und reißt den Boden auf“, schwärmt er von der Einstellung der waschechten Dresdnerin. Und er ist froh, dass sie mit Erfurt einen Klub gefunden hat, in dem sie so viel Praxis bekommt, um sich weiter zu entwickeln. Fast scheint es, dass sie ein Lob ihres Ex-Trainers verlegen macht. Sie hört es freilich gern. Sie arbeitet extrem hart an sich.

Handbruch bremst sie zunächst aus

Die Narbe auf dem linken Handrücken zeugt davon. Folge eines Bruchs, mitten in der Vorbereitung, in der Michelle Petter nach dem Wechsel nach Erfurt durchstarten wollte. Die Verletzung bremst sie aus, trainiert aber schon bald wieder. Die Hand belasten darf sie nicht, in die Pedale auf dem Ergometer tritt sie umso mehr. Zehn Wochen ist sie raus, kämpft sich zurück – ist die Stütze in der Feldabwehr.

Der Kampf ist vonnöten. Vor allem auch am heutigen Sonnabend. Gern hätte Völker mindestens sechs Vorkämpferinnen wie Michi, wenn Wiesbaden in der Riethhalle aufschlägt (18 Uhr). Es ist das Spiel, das wohl am meisten zählt für den Vorletzten im Kampf um den Klassenerhalt. Ob ein 3:2, 3:1 oder 3:0, Michelle Petter wäre es egal. „Wir wollen mindestens vier Punkte vor Suhl sein“, meint sie und ergänzt: „Wir dürfen uns nicht darauf verlassen, dass der VfB hinter uns bleibt.“

Im Hinspiel waren die Erfurterinnen dicht dran, den Neunten zu schlagen, scheiterten aber bei einer 14:10-Führung im Tie-Break an sich selbst. „Alles muss sich erst entwickeln. Aber das kommt. Stück für Stück“, mahnt Erfurts Nummer sechs zu Geduld. Sie sieht ihr Team noch nicht dort, wo sie es wünschte, aber besser und mental gefestigter.

Sie selbst hingegen fühlt sich auf dem Niveau wie vor der Verletzung. Beinahe jedenfalls. Denn so richtig zufrieden ist sie ja nie mit sich – und schon wieder auf dem Weg zum nächsten Training.

Die drei Schrauben in der Hand, „ach, die stören nicht“, sagt sie. Drei Punkte sind ihr dennoch lieber. Viel lieber. Erst recht, wenn sie groß erkämpft sind.