Erfurt. Die Erfurterin Walburga Grimm, einst international geschätzte Eiskunstlauf-Preisrichterin, ist im Alter von 89 Jahren gestorben. Vier Jahrzehnte prägte sie ihre Sportart. Ohne sie wäre Katarina Witt bei den Winterspielen 1984 vielleicht keine Olympiasiegerin geworden.

Die Stars der Szene wie Katarina Witt, Brian Boitano, Viktor Petrenko oder Alexej Jagudin bezeichnete Walburga Grimm einmal als ihre erlebten Sternstunden. In der Welt des Eiskunstlaufens war die Erfurterin als internationale Preisrichterin so anerkannt wie kaum eine andere. Vor 20 Jahren schied sie nach elf Olympischen Winterspielen als Ehrenmitglied des Weltverbandes aus. Nun ist sie wenige Tage vor ihrem 90. Geburtstag nach schwerer Krankheit gestorben.

„Walburga Grimm war für den Eissportclub Erfurt immer eine höchst respektierte und moralische Instanz“, sagt ESC-Chef Michael Schneider, „in erfolgreichen, aber auch in schwierigen Zeiten.“ Ganz persönlich hatte die Ehrenpräsidentin Schneider im Jahre 2007 gebeten, die Geschicke des Vereins zu übernehmen, der sich fortan „immer auf ein weises Wort und einen guten Ratschlag von Walburga Grimm“ verlassen konnte.

Sie begann in den 1940er-Jahren mit dem Rollkunstlaufen. Als Preisrichter gesucht wurden, wechselte sie die Seiten und nutzte ihre zweite Leidenschaft – die Musik. Ihr kam nun entgegen, dass sie acht Jahre Klavier-Unterricht nahm. 1961 schließlich erlebte die Erfurterin ihren ersten internationalen Auftritt. Im kalten Krieg ging es oft nicht nur um Sport, sondern auch um Politik. Nicht immer half diplomatisches Fingerspitzengefühl. Als sie 1976 Weltmeister Jan Hoffmann auf Rang zwei gesehen hatte − anstatt wie die meisten auf Rang vier − wurde Grimm auch auf Betreiben ihrer Erzrivalin Sonia Bianchetti aus Italien ein Jahr lang gesperrt.

Eine ganz besondere Beziehung verband sie mit Eiskunstlauf-Trainerlegende Jutta Müller. Die Chemnitzerin würdigte sie einmal als „einflussreichste und erfahrenste Frau ihrer Zunft“. Beide kämpften manch heftige Debatte aus: „Wir haben gestritten, miteinander gerungen − aber es war letztlich produktiv“, erzählte Grimm zu ihrem 80. Geburtstag im Gespräch mit unserer Zeitung. Genau solch einen Moment gab es bei den Winterspielen 1984. Damals verhalf Walburga Grimm dank eines gut gemeinten Ratschlages Katarina Witt zu Gold. Am Vormittag vor der legendären Kür in Sarajewo riet sie Trainerin Müller in einem nervenaufreibenden Disput, den Dreifach-Rittberger durch einen doppelten zu ersetzen. „Die Kür bekam dadurch mehr Sicherheit“, wie sie erzählte.

In vier Jahrzehnten als Preisrichterin erlangte sie ein hohes Ansehen und bekam sogar den Olympischen Orden überreicht. Als Walburga Grimm schließlich die große Eiskunstlauf-Bühne verlassen hatte, blieb endlich Zeit für ausdehnte Spaziergänge mit Rauhaardackel „Flocke“ durch die Löbervorstadt.

Bis zum Ausbruch der Corona-Pandemie war die Ehrenpräsidentin des ESC Erfurt bei jeder Mitgliederversammlung Stammgast. „Selbstverständlich werden wir zur nächsten Zusammenkunft ihren Platz in ehrendem Gedenken freihalten“, sagt Michael Schneider.