Erfurt. So reizvoll der EHF-Cup auch ist: Für die Vereine wie den Thüringer HC hat er seinen Preis. Das Mitspielen bedeutet hohe Kosten. Die einzuspielen ist ein Kampf.

As wäre die Tour ans Kaspische Meer nicht happig genug gewesen, gab es eine Strafe obendrauf. Das Einladungspapier für Jovana Sazdovska lag nur als Ausdruck vor, nicht im Original. Machte 25 Euro. Nicht viel, zumindest gemessen an rund dem Zehnfachen, was der Thüringer HC für das Hinspiel der letzten Qualifikationsrunde im EHF-Cup hinblättern musste. Für die Mazedonierin war in Moskau Endstation. Der nächste Flug zurück war ihrer. Ging extra.

Die (Tor)tour nach Astrachan im November taugt, um lange in Erinnerung bei THC-Manager Maik Schenk zu bleiben. Und sie taugte genauso, um den Europokal mit seinem mitunter schwer zu berechnenden Kostenfaktor verteufeln zu können. Zahlungen für Flüge, Einreisedokumente, Hilfsleistungen von Visa-Agenturen, für Hotel, eine Extra-Nacht, Verpflegung und und und. Geht es Richtung Ural, wird’s richtig teuer. Der Geschäftsführer des Thüringer Handball-Bundesligisten stöhnte nicht nur wegen des gewaltigen bürokratischen Aufwandes, um in Russland rund 3000 Kilometer entfernt 60 Minuten Handball zu spielen. („Zwei Wochen lang habe ich nur damit zu tun, alle Dokumente zusammenzubekommen.“) Der finanzielle Aufwand lag weit über dem, was sich in einer Qualifikationsrunde mit Hin- und Rückspiel einspielen ließe.

Gebühr fürs Mitspielen statt Prämie

Nach Astrachan müssen die Thüringerinnen in dieser Saison nicht mehr. Die Thüringerinnen haben die als unbequeme geltende russische Mannschaft geschlagen – und sind in der Gruppenphase sehr weit. Rein rechnerisch fehlt ein Punkt vorm vorletzten Spiel am Sonntag gegen Banik Most (14 Uhr, Nordhausen), um als Erster der A-Gruppe ins Viertelfinale einzuziehen. Am Sonnabend in einer Woche müssen die Frauen um Trainer Herbert Müller noch einmal reisen, in die Türkei nach Kastamonu, noch einmal müssen sie zunächst einige Tausend Euro auf den Tisch legen. Ob danach wirtschaftlich ein großes Plus auf der Habenseite stehen wird? Eher nicht.

Linskaußen Jovana Sazdovska fliegt in den Kreis. Ihr THC jubelt im Anschluss. Mit dem Sieg im Rückspiel gegen Debrecen vor einer Woche sicherten die Thüringerinnen die Viertelfinal-Teilnahme im EHF-Cup.
Linskaußen Jovana Sazdovska fliegt in den Kreis. Ihr THC jubelt im Anschluss. Mit dem Sieg im Rückspiel gegen Debrecen vor einer Woche sicherten die Thüringerinnen die Viertelfinal-Teilnahme im EHF-Cup. © Sascha Fromm

„Geld in Größenordnungen zu verdienen wird uns nicht gelingen. Wirtschaftlich ist der EHF-Cup eine Geschichte, die im besten Fall mit einer guten schwarzen Null ausgeht“, sagt Maik Schenk. Die Einnahmen stützen sich ausschließlich auf zusätzliche Sponsoren und Eintrittsgelder.

Kämen die Thüringerinnen in der Champions League in die Runde der letzten acht, schüttete die Europäische Handball Föderation (EHF) 10.000 Euro Prämie aus. In der finalen K.o.-Runde des EHF-Cups zu stehen heißt für die Vereine, in Vorkasse gehen zu müssen. Fürs Mitspielen verlangt die EHF wie in jeder Runde eine Gebühr, in der Qualifikation sind es moderate 375 Euro, im Viertelfinale 1000.

Handball – eine geteilte Welt

Fußball-Klubs im europäischen Wettbewerb dürften darüber schmunzeln. Der Blick zum großen Nachbarn, in dem Abermillionen generiert und ausgereicht werden, verbietet sich indes. Fußball ist eine eigene Galaxie im Sportuniversum. Selbst der Handball stellt darin eine geteilte Welt dar. Für den EHF-Cup-Gewinner der Herren schüttete die Europäische Föderation vergangene Saison etwa laut Medienberichten 100.000 Euro aus, der Vierte bekam ein Zehntel. Davon können die Damen träumen. Aktuell sei keine Prämie vorgesehen, berichtet Maik Schenk.

So hoffen die Thüringer auf eine volle Halle bei den Heimspielen – und auf kommendes Jahr. Wie die Champions League wird der EHF-Cup reformiert. Pro Runde steht dann ein Betrag x für die Gegenfinanzierung in Aussicht.

Das Sehnsuchtsziel für den siebenmaligen deutschen Meister aber heißt Königsklasse. Sie wird ebenfalls modifiziert und ermittelt ab 2020/21 in zwei Achtergruppen die Viertelfinalteilnehmer. In dieser Serie die Champions-League-Zwischenrunde zu erreichen, hätte ein Zuschuss von 20.000 Euro bedeutet. Der ist zwar mit Vorsicht genießen, weil von den mitspielenden Vereinen Fernseh- und Marketingrechte noch mit gekauft werden müssen. Immerhin aber ist es ein Zuschuss vom Verband und sportlich eben die oberste Bühne.

Wer wird schon jedes Jahr Meister?

Die zu betreten wird für einen Verein wie den Thüringer HC nur immer schwieriger. Most erhielt in diesem Jahr den Vorzug. Es lieferte den Beleg, dass es naiv wäre, sich als Bundesliga-Zweiter selbst mit einigen Jahren in der Königsklasse darauf zu verlassen, eine Wildcard zu bekommen. Allein der Bundesliga-Erste ist gesetzt, um im Kreis der deutlich finanzkräftigeren Konkurrenz mitmischen zu können. Nur: Wer wird schon jedes Jahr Meister?

Durch das 25:34 bei Leverkusen haben die Thüringerinnen mit drei Niederlagen aktuell die schlechteren Karten gegenüber den noch makellosen Dortmunderinnen und Verfolger Bietigheim (drei Minuspunkte). THC-Trainer Herbert Müller verbindet ungeachtet der aktuellen Situation nichts anderes als diesen Anspruch, um nationale Titel mitspielen zu wollen. Die Champions League ist eine andere Liga. Er spricht gern von einem Wettbewerb mit einem feststehenden Ende für die deutschen Mannschaften. In der Regel vor dem Viertelfinale. Das steht dem THC im EHF-Cup derweil offen.

Nicht nur wegen eines offeneren Endes schätzt der THC-Trainer den Europapokal. Sondern vor allem, weil er genauso die Plattform bietet, die jede einzelne Spielerin braucht, sportlich weiterzukommen.

Wo sollten die aktuell deutschen Nationalspielerinnen Emily Bölk, Alicia Stolle, Meike Schmelzer, Ina Großmann und Ann-Cathrin Giegerich die Erfahrungen sammeln, um sich Rüstzeug und Härte für den internationalen Vergleich holen?

Für Herbert Müller steht fest: „Finanziell mag der EHF-Cup mitunter ein Minusgeschäft sein, sportlich ist er für alle ein Gewinn.“

Thüringer HC – Banik Most, Sonntag, 2. Februar, 14 Uhr, Nordhausen, Wiedigsburghalle