Erfurt. Der Erfurter Nils Dunkel schwärmt von der Turn-WM in Stuttgart. Dort möchte der deutsche Meister am Pauschenpferd seinen Heimatverein MTV vertreten. Zunächst muss er die Qualifikation am Samstag meistern.

Berlin ist sein Zuhause geworden, doch das Herz schlägt für Erfurt. Vor allem für den Männerturnverein 1860. Seit er neun ist, trainiert Nils Dunkel am Bundesstützpunkt. Er könnte wie andere im Nationalkader für Berlin antreten, turnt aber nach wie vor für seinen Verein, in dem er als Bengel erste Turnversuche unternommen hat.

„Der MTV ist meine Heimat und ich möchte so auch etwas zurückgeben“, sagt der 23-Jährige. Ein besonders schönes Gefühl sei es dann immer, wenn der Vereinsname wie vor Kurzem bei seinem erneuten deutschen Meistertitel am Pauschenpferd im gleichen Atemzug mit seinem genannt wird. Und noch besser wäre es, käme die Sprache auch in Stuttgart auf den MTV Erfurt.

Die Hanns-Martin-Schleyer-Halle in der baden-württembergischen Hauptstadt ist für Nils Dunkel Erinnerungsort und Sehnsuchtsziel zugleich. 2007 hat er als Zehnjähriger staunend dort gestanden, wie das deutsche Team um Fabian Hambüchen WM-Bronze erturnte. „Eine tolle Atmosphäre. Gänsehaut“, erinnert sich Nils Dunkel. Umso größer ist der Wunsch, vom 4. bis 13. Oktober dabei zu sein, wenn in Stuttgart in diesem Jahr wieder die besten Gerätturner der Welt antreten. „Die Möglichkeit, un­ten zu stehen, wäre cool“, sagt Dunkel.

Der eine Fehler zu viel, und alles kann vorbei sein

Die Hoffnung beim ersten deutschen Turnmeister aus Thüringen seit der Wende ist groß. Der Haken an der Sache ist nur: Er muss sich noch qualifizieren. Am Samstag besteht in Kienbaum eine zweite Möglichkeit, sich ei­nen Platz in der deutschen Mannschaft zu sichern. Der Druck ist gestiegen. Die erste Qualifizierungschance bei der deutschen Meisterschaft hat er verhauen. In Kienbaum muss er liefern, wollte er es nicht auf eine allerletzte Minimal-Chance über herausragende Leistungen in der unmittelbaren Wettkampfvorbereitung ankommen lassen. „Mache ich den einen oder anderen Fehler zu viel, kann alles vorbei sein“, weiß der Rotschopf.

Unweigerlich muss er an die Finals von Berlin denken. An die drei dicken Patzer im Mehrkampf. Sie kosteten so viele Punkte, dass der Erfurter nur 13 wurde. Immerhin ließen die risikovolle Meister-Übung im Pauschenpferd-Finale, die gute Leistung an den Ringen und sonst sicher geturnte Elemente die Tür zur Weltmeisterschaft offen.

Dass er in den Gerätefinals dem Druck standgehalten hat, bestätigt Vater Stephan Dunkel. „Je größer der Druck, umso besser turnt Nils“, sagte er.

Die Situation ist für den Junior alles andere als neu. „Ich kenne es nicht anders“, meint er und ärgert sich noch immer, dass er etwa bei der Barrenübung vom Gerät stürzte. Gedanken daran versucht er indes auszublenden. Dabei hilft, dass der Mehrkampf abgesehen von den Schnitzern gar kein schlechter war. Ohne die drei Fehler wäre eine Medaille im Mehrkampf drin gewesen, sind sich Vater und Sohn sicher. Am Ende hat auch das den Ausschlag gegeben, dass der Erfurter als 13. für die zweite Qualifikationsrunde eingeladen wurde.

Neun Männer treten in Kienbaum an. Lukas Dauer (Unterhaching) bekommt als zehnter Kandidat verletzungsbedingt noch etwas Aufschub. Fünf Turner nominiert Cheftrainer Andreas Hirsch später für die WM-Mannschaft in Stuttgart. Vier gehen jeweils an die Geräte, die besten drei Ergebnisse fließen in die Wertung ein. Gesetzt werden wohl Deutschlands derzeit beste Turner Andreas Toba (Hannover) und Marcel Nguyen (Unterhaching) sein, im Mehrkampf alle sechs Geräte zu turnen. Anhand der Einzelergebnisse aller Kandidaten wird durch ein von Sportwissenschaftlern entwickeltes Rechensystem die stärkste Mannschaft um die beiden herum ermittelt.

„Ich wünsche mir für diese zweite Qualifikation, dass weitere Turner aus diesem Kreis der Nominierten ihr maximales Leistungsvermögen ausschöpfen, damit das deutsche Team Schritt für Schritt bis zur WM in Stuttgart ein Gesicht bekommt“, wird Cheftrainer Andreas Hirsch vom Deutschen Turner-Bund (DTB) auf der Website der Turn-WM zitiert.

Für Nils Dunkel heißt das, vor allem an seinen starken Geräten Ringe, Barren und Pferd zu punkten, um sich zum dritten Mal den Traum von einer Weltmeisterschaft erfüllen zu können. In Montreal in Kanada ist er 2017 dabei gewesen, nach Doha in Katar fuhr er im vergangenen Jahr Ersatzmann mit. Doch die Heim-WM ist noch eine ganz andere Nummer. Turnen boomt. Für die Tage der Gerätefinals ist die Schleyer-Halle schon jetzt ausverkauft. Egal, wie es für ihn käme. „Ich freue mich riesig darauf“, schwärmt Nils Dunkel.

Fast ließe sich sagen, Deutschlands bester Pferdturner fliegt auf die WM, auf seinen MTV 1860 und Erfurt erst recht.