Gotha. Zum ersten Mal in seiner Trainerlaufbahn musste Jörg Schulz mit den VC-Volleyballern gegen den Abstieg spielen – und schaffte das Happy-End.

Die Feier fiel nicht üppig aus. Nach dem Sieg über Karlsruhe und dem aus eigener Kraft geschafften Klassenerhalt saßen sie noch ein bisschen zusammen in der heimischen Ernestiner-Halle. Mehr nicht. Am nächsten Tag stand ja schon wieder das Halbfinale im Landespokal in Erfurt an.

Für Gothas Zweitliga-Volleyballer war das Match beim zwei Klassen tiefer spielenden Erfurter VC natürlich nur eine Pflichtaufgabe, die sie mit ihrer zweiten Reihe und einem 3:0 auch mühelos meisterten. Doch weil gerade solche Spiele „eine Frage des Kopfes und nicht der Fähigkeiten“ sind, wollte Jörg Schulz die Konzentration schon noch ein bisschen hoch halten.

Trotz des erreichten Happy- Ends nach zuletzt fünf Punktspielsiegen am Stück, die die Gothaer im Endklassement der 2. Bundesliga auf Platz zehn hoben. Hätte man Schulz diese Bilanz vor der Saison vorgelegt – er hätte wohl nicht unterschrieben. „Ich sah uns eigentlich weiter“, sagt er, „ich dachte, wir sind locker im Mittelfeld dabei.“ Doch dann hatten die Blue Volleys eine Dreiviertelsaison und im Grunde bis zum Schluss nur gegen den Abstieg gespielt.

„Das war, ehrlich gesagt, ein Gedanke, mit dem ich mich vorher gar nicht auseinandergesetzt habe“, gibt Schulz zu. Er hatte ja das von vielen Faktoren beeinflusste Glück gehabt, noch nie in all den Jahren mit seiner Mannschaft um den Klassenerhalt kämpfen zu müssen. „Dass wir ihn dann wirklich geschafft haben, macht mich schon stolz“, sagt der 57-Jährige – um mit Blick auf die Tabelle doch wieder den Kopf zu wiegen. Die zum Saisonfinale mit ei­nem 0:3 nach Hause geschickten Karlsruher liegen mit dem identischen Satzverhältnis von 46:48 auf dem fünften Platz gerade mal drei Punkte voraus. Ein Sieg mehr oder weniger, größer ist der Unterschied nicht. Doch wie so oft in der Vergangenheit drehten die Gothaer erst in der Rückrunde so richtig auf.

Zum einen, weil sie im Tief des Spätherbstes rechtzeitig innehielten und zu dem Schluss kamen, die Position des Zuspielers neu zu besetzen. „Wir sind auf die Suche gegangen“ erzählt Schulz, „und hatten kurzfristig großes Glück.“ Im finnischen Nationalspieler Mauri Kurppa fanden sie den Schlüssel zum Erfolg. Ein Ausnahme-Zuspieler, ein Spielmacher und Leader im besten Sinne. Einer, der weiß, worauf es ankommt. Und der mit seinem Können auch alle Mitspieler mitriss und der ganzen Truppe neues Selbstvertrauen verlieh.

Zum anderen, weil die Blue Volleys tatsächlich mehr trainieren als andere. Dreimal in der Woche ist Standard bei den meisten Vereinen. In Gotha bitte Schulz viermal zum Training. „Das wirkt sich im Laufe der Saison enorm aus“, ist er überzeugt. Daraus wiederum bezieht der Trainer bei aller Was-wäre-wenn-Wehmut seine neue Zuversicht: „Ich denke, mit unserer Mannschaft können wir jederzeit in der Mitte der Bundesliga mithalten.“ Der 2. Bundesliga, wohlgemerkt.

Für größere Abenteuer sieht Schulz in Gotha derzeit kein Potenzial. Von der ersten Liga will er deshalb gar nicht reden. Die materiellen Voraussetzungen seien einfach nicht gegeben. Und damit meint er nicht die finanzielle Seite – der Verein steht nach der längst überwundenen Insolvenz mit einem neuen Vorstand sehr solide da.

Doch die Maßstäbe der Liga sind hoch. Wer in der Beletage des Volleyballs spielen will, braucht, wie in vielen anderen Sportarten auch, eine taugliche Arena. Und die gibt es in Gotha nicht. Eine Alternative wäre die Erfurter Riethsporthalle, doch umziehen wollen die Gothaer nicht. Zu viel stünde auf dem Spiel. Fans, die abspringen, ein Stück Identität, das verloren geht. „Das ist eine Lektion, die wir aus der Zeit gelernt haben, als wir in der ersten Liga in Ohrdruf gespielt haben“, blickt Schulz im Zwiespalt zurück.

Auf eine absehbare Zukunft müssen sie also mit ihrer kleinen Ernestiner-Halle auskommen, in die zu den Heimspielen im Schnitt 250 Zuschauer kommen. Ein paar mehr hatte sich Schulz ja erhofft, doch nur zum letzten Spiel gegen Karlsruhe war die Halle mal richtig voll: „Vielleicht lag‘s an der Spannung, vielleicht am Freibier.“

Die erste Liga bleibt also vorerst nur ein Traum. „Es sei denn“, grient Schulz, „ein Millionär kommt vorbei und möchte gerne uns sein Geld geben.“

Doch auch ohne reichen Mäzen können sie in Ruhe nach vorn blicken. Die Arithmetik ist einfach. Neun Spieler bleiben, zwölf wollen sie haben, also sollen drei Neue kommen.

Bis zum nächsten Anlauf in Liga zwei im Spätsommer bleibt noch genug Zeit. Nach dem vollbrachten Klassenziel gönnt sich Schulz über die Osterferien vierzehn Tage Nordseeurlaub. Auch ein Glücksmoment.

„Das habe ich die ganzen Jahre nie machen können, weil wir über Ostern immer noch Spiele hatten“, sagt der Sportlehrer am Erfurter Königin-Luise-Gymnasium fast entschuldigend. Nun ist er froh, dass es klappt. Dem sportlichen Erfolg seiner Blue Volleys sei dank. Und natürlich dem späten Frühlingsvollmond.