Erfurt. Herbert Müller, Trainer des Thüringer HC, schaut im Interview zurück und nach vorn. Ein Gespräch über tiefe Wurzeln, einen Traum und einen Platz, wo das Herz glücklich ist.
Sie haben sich ihren Urlaub nach der kraftraubenden wie glänzenden Serie mit Vizemeisterschaft und Europa-League-Final-Four herbeigesehnt. Nicht alle im Team der THC-Handballerinnen haben indes gleich Pause. Sonja Frey und Johanna Reichert sind dieser Tage mit Österreichs Nationalteam gefordert. Keine große Belastung, verspricht Auswahl- und THC-Cheftrainer Herbert Müller. Er macht weiter, was er am meisten liebt: Handball. Der 60-Jährige lässt die Serie im Video-Talk Revue passieren und sieht nach vorn.
… über das Besondere am THC
Ich bin so eine Eiche, die sich schwer verpflanzen lässt, wenn die Wurzeln einmal tief greifen. Und die haben hier sofort sehr tief gegriffen. Als ich gemerkt habe, wie sehr hier alle – vom Bürgermeister, über die Gesellschafter bis zu den Fans – hinter diesem Verein stehen und welche Begeisterung die entfachen. Dann habe ich schon gedacht, oh, oh, hier kriegt man dich nicht so schnell wieder weg. Den großen Verlockungen kann man leichter widerstehen, wenn man glücklich ist.
… über 13 Titel und die 13. Saison
Man kann keinen Erfolg planen. Dass es so einen Weg nimmt, ist fantastisch. An uns sind mit Bietigheim und Dortmund aber dann zwei Teams vorbeigegangen. Mit denen können wir finanziell nicht mithalten. Von daher ist diese 13. Serie eine besondere, weil nach dem Umbruch so viel Mentalität, Kampfgeist und so viele Emotionen in diese Mannschaft gekommen sind. Sie hat mehr erreicht, als zu erwarten war. Platz zwei ist das Optimum.
… über einen winzigen Makel
Wenn wir einen Wermutstropfen finden wollen, dann ist es das verfehlte Final Four im Pokal. Aber wenn mir jemand gesagt hätte, wir kommen auf internationaler Ebene ins Final Four, hätte ich das nicht für möglich gehalten. Das ist besonders. Solche Turniere zu spielen muss man lernen. Die Mannschaft war
total aufgeregt. Ich erkannte sie kaum wieder. Es sind Spielerinnen in den BVB-Bus eingestiegen, wir haben die Bälle im Hotel vergessen. An dem Wochenende ist vieles zusammengekommen. Es ist ein Lernprozess. Aber warum nicht in den nächsten Jahren über dieses Lernen Spuren hinterlassen?
… über Annika Lott, Spielerin der Saison
Eine Einzelauszeichnung in einer Teamsportart ist immer auch ein sehr großes Kompliment an die gesamte Mannschaft. Anni Lott kam aus Buxtehude, war auf ihrer Position national auf Platz vier, fünf. Sie kann alles spielen, ist wie auf der Überholspur abgegangen. Die Auszeichnung ist mehr als berechtigt.
… über die Mannschaft 2024
Ich freue mich vor allem auf die Heimkehrer. Dinah Eckerle hat hier neun Jahre gespielt. Sie ist in die weite Handball-Welt ausgezogen. Wenn so eine Spielerin dann feststellt, am schönsten ist es zu Hause, spürt man, dass sehr vieles richtig gemacht wird. Und wenn auch eine Kerstin Kündig nach einer Serie im Handball-Mekka Dänemark sagt, ich komme zurück, ist das ein Kompliment für den gesamten Verein. Zudem kommt Josefine Huber zurück nach einem Jahr Kreuzbandriss. Und ich freue mich, dass Ida Gullberg kommt und mit Kathrin Pichelmeier eine, die ich seit Jahren auf der Liste habe.
… über Trainer-Träume
Ich bin keiner, der sich mit Anzug und Krawatte auf eine Bank setzen könnte. Ich muss dieses Spiel leben. Wir wollen diese Lücke zu Bietigheim schließen. Und ich weiß, was wir unseren Gesellschaftern Robert Böhm und Helmut Peter zu verdanken haben. Ich würde ihnen so gern, einen Titel in die Hand geben, als Dankeschön
.… über Ziele für die Zukunft
Wir sind stark genug. Wir sind konkurrenzfähig. Das haben wir in diesem Jahr definitiv bewiesen. Wir sind gerade zu Hause sehr nah dran an Bietigheim gewesen. Träumen darf man. Ziele muss man sich setzen. Und die sollen hoch sein. Genau danach streben wir.
… über Heimat
Heimat ist die Familie, aber auf jeden Fall Deutschland. Ich bin sehr stolz, Deutscher zu sein. Wir hatten es im Banat nicht leicht zu Ceausescus Zeiten. Ich bin meinen Eltern sehr dankbar, die alles aufgegeben haben, um uns diese Heimat zu bieten, diese Sicherheit. Sie sehen immer noch jedes Spiel. Alles, was wir dafür zurückgeben können, erfüllt uns mit Stolz. Heimat ist hier.
… über Bruder Helfried
Ich habe das ganz große Glück, den besten Bruder der Welt zu haben. Er ist ein Top-Bundesliga-Trainer. Er hätte ohne Wenn und Aber locker selber eine Bundesliga-Karriere anstreben können. Aber er hat sich immer in meinen Schatten gestellt. Ich weiß, dass ich mich zu tausend Prozent auf ihn verlassen kann. Ich könnte nie einen anderen Co-Trainer haben.
Aufgezeichnet von Steffen Eß
Das komplette Interview finden Sie im Internet unter: sport