Bitterfeld. Solaranlagen aus Deutschland haben vor Jahren mal einen Boom erlebt. Dann kam die große Flaute. Doch nun gibt es neue Hoffnung.

Vor etwa einem Jahrzehnt herrschte im Werk von Meyer Burger in Sachsen-Anhalt Hochbetrieb. Hunderte Beschäftigte produzierten Solarzellen in riesigen Werkhallen. Vom damaligen Boom künden heute nur noch Überbleibsel. Nun wollen sie hier einen zweiten Versuch starten, Solaranlagen im großen Stil zu produzieren.

Die Halle von Meyer Burger war jahrelang mehr oder weniger verwaist. Öffnet sich nun eine der Türen, betritt man die nahezu komplett automatisierte Produktion. Einer der wenigen Beschäftigten, die aus den Korridoren zwischen den Fertigungsstraßen auftauchen, heißt Andreas Waltinger. Beim Rundgang erklärt der vollbärtige, was in den hunderte Meter langen, verglasten Maschinen so alles passiert.

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Schweizer Unternehmer wagt den Neustart in Europa

Waltinger macht vor einer vielleicht zehn Meter langen, schulterhohen, weiß-grauen Blechkiste halt, die mit den Leitungen an der Hallendecke über silberne Rohre verbunden ist. Darin steckt ein Ofen, zugleich Beleg dafür, was Meyer Burger kann. Denn die Firma entwickelt und fertigt alle wesentlichen Maschinen für die Herstellung von Solarzellen selbst.

Solaranlagen (Symbolbild): In Bitterfeld soll es einen neuen Boom bei den Photovoltaikanlagen geben.
Solaranlagen (Symbolbild): In Bitterfeld soll es einen neuen Boom bei den Photovoltaikanlagen geben. © mmphoto - stock.adobe.com | stock.adobe.com

„Diese Anlage braucht nur noch eine Temperatur von ungefähr 200 Grad, um die Elektroden auf den Solarzellen zu befestigen“, sagt Waltinger. Die Konkurrenzfirmen von Meyer Burger in China würden dagegen noch mit 800 Grad arbeiten, was mehr Energie und Ausgaben erfordere. Solche Entwicklungen haben das Schweizer Unternehmen veranlasst, den Neustart in Europa zu wagen.

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Um 2010 herum gab es schon einmal viel Hoffnung. Dank des Erneuerbare-Energien-Gesetzes erhielten Betreiber von Ökokraftwerken eine lukrative Förderung. Diese sollte die Energiewende voranbringen, was auch gelang. Aber der CDU/CSU-FDP-Regierung unter Kanzlerin Angela Merkel erschienen die Kosten zulasten der Privathaushalte zu hoch. Also kürzte sie die Förderung.

China steigt in Solarmarkt ein – mit schweren Folgen für Deutschland

Außerdem stieg China in den globalen Solarmarkt ein. Um Fuß zu fassen, boten die dortigen Unternehmen zu niedrigen Preisen an, was ihnen unter anderem aus Deutschland den Vorwurf einbrachte, mit staatlichen Subventionen Dumping bei den Erneuerbaren Energien zu betreiben. Die Kombination aus niedrigerer Förderung und chinesischer Konkurrenz führte dazu, dass ein wesentlicher Teil der hiesigen Solar-Produktionskette verschwand.

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Angesichts dieser Geschichte mag die aktuelle Situation wie ein Déjà-vu erscheinen. „Mit Preisen von etwa 15 Cent pro Watt bieten chinesische Hersteller momentan nach unseren Rechnungen unter den Selbstkosten an“, sagt Jochen Rentsch vom Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme im baden-württembergischen Freiburg. „Der Vorwurf des unfairen Wettbewerbs scheint daher gerechtfertigt.“ Die Produktionskosten bei Meyer Burger liegen nach Informationen dieser Zeitung dagegen über 30 Cent.

In einem Photovoltaik-Kraftwerk in Yinchuan, im nordwestchinesischen Autonomen Gebiet Ningxia Hui, stauben Mitarbeiter nach windigem Wetter Photovoltaik-Paneele ab.
In einem Photovoltaik-Kraftwerk in Yinchuan, im nordwestchinesischen Autonomen Gebiet Ningxia Hui, stauben Mitarbeiter nach windigem Wetter Photovoltaik-Paneele ab. © Wang Peng/XinHua/dpa

Hintergrund des Handelskonfliktes ist die komplizierte internationale Lage. Die US-Regierung unter Präsident Joe Biden will strategische Industriezweige in den USA stärken. Mit einem riesigen Förderprogramm, dem sogenannten Gesetz zur Senkung der Inflation, werden deshalb in Nordamerika produzierte Solarzellen begünstigt und chinesische Importe benachteiligt. Deshalb leiten die asiatischen Hersteller ihre Schiffe nun nach Europa um. Um das Überangebot hier in den Markt zu drücken, senken sie die Preise.

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Solarenergie in Deutschland: Branche hofft auf Hilfe durch Bundesregierung

Und wie hat Meyer Burger darauf reagiert? Der geplante Ausbau der Solarzellenproduktion in Bitterfeld wurde erstmal abgesagt. Stattdessen bereitet das Unternehmen den Bau zweier neuer Werke in den USA vor. Denn dort sind einige hundert Millionen Dollar staatlicher Subventionen zu erwarten.

Ein Ort, wo diese Entscheidung getroffen wurde, liegt im sächsischen Ort Hohenstein-Ernstthal unweit von Chemnitz. Dort steht in einem Gewerbegebiet mit Blick über bewaldete Hügel die Deutschland-Zentrale von Meyer Burger. Gunter Erfurt ist der Vorstandsvorsitzende. Die Botschaft des Managers: Ohne neue Subventionen der Bundesregierung und der EU-Kommission hat Meyer Burger ein Problem. „Wir plädieren unter anderem für die Einführung einer Resilienz-Prämie, um die hiesige Solarindustrie zu stärken“, sagt Erfurt.

Wirtschaftsminister Robert Habeck und Gunter Erfurt (r), Vorstandsvorsitzender der Meyer Burger Technology AG.
Wirtschaftsminister Robert Habeck und Gunter Erfurt (r), Vorstandsvorsitzender der Meyer Burger Technology AG. © Soeren Stache/dpa

Diese Prämie in Höhe einiger Cent pro Kilowattstunde würden die Hausbesitzer und Unternehmen erhalten, die Solarzellen aus einheimischer Fertigung installieren lassen – und keine chinesischen. Außerdem hat Erfurt Hoffnung, zusätzliche Zuschüsse der Bundesregierung zu erhalten, wenn er hier investiert.

Aber wäre das wirklich gerechtfertigt? Die Antwort liegt ebenfalls in den neuen Konflikten um die globale Machtverteilung. Um in der politischen und ökonomischen Auseinandersetzung mit China und teilweise den USA bestehen zu können, hat die Europäische Kommission unter anderem das Ziel ausgegeben, dass 40 Prozent der in Europa benötigten Solarzellen und Module auch hier hergestellt werden sollen.

Heute dagegen ist die Abhängigkeit von der chinesischen Solarindustrie erstaunlich groß. Zahlen des Fraunhofer-Instituts zufolge liefert China 90 Prozent allen Poly-Siliziums weltweit, des Ausgangsstoffes der Solarzellenfertigung. Und 91 Prozent der Solarzellen kommen ebenfalls aus China.

Solarzellen und ihre Komponenten müssen in Europa produziert werden

Im Umkehrschluss weniger Abhängigkeit von China aber bedeutet: Mehr Solaranlagen und ihre Komponenten müssen in Europa produziert werden. Im Hinblick auf das EU-Ziel sagt Fraunhofer-Experte Rentsch: „Um 40 Prozent des europäischen Bedarfs an Solarzellen in 2026 aus eigener Produktion zu bedienen, bräuchten wir eine Herstellungskapazität von mindestens 40 GW pro Jahr.“

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Zum Vergleich: Meyer Burger hat derzeit eine Kapazität von maximal 1,4 GW (Milliarden Watt) Leistung pro Jahr. Daneben betreibt das italienische Unternehmen Enel eine kleine Produktion in Sizilien. Das war’s. Für Meyer Burger steht viel auf dem Spiel. „Mit der heutigen Situation hat Meyer Burger nicht gerechnet“, räumt Gunter Erfurt ein.

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Im ersten Halbjahr 2023 erwirtschaftete die Firma Verluste. Rund 1400 Arbeitsplätze hängen daran, rund 1000 davon in Deutschland. Funktioniert der zweite Solarboom und steigen andere Unternehmen ein, könnten es zehntausende Jobs werden, wie früher.