Erfurt. Wie eine Thüringer Veranstaltungsagentur versucht, die Corona-Krise auch in der Weihnachtszeit als Chance zu sehen.

Die Zimmer sind fast alle verwaist, auf dem Flur stehen einige Kartons. Bald zieht die Hirschfeld-Touristik Event GmbH in Erfurt um. Ein Haus weiter. Der weiträumige Platz von derzeit 250 Quadratmetern wird nicht mehr gebraucht, dann müssen 90 reichen. Die dürften auch genügen, denn von den einst 15 Mitarbeitern sind nur noch sechs übrig geblieben. Den anderen Angestellten musste Geschäftsführer Nils Hirschfeld in der jetzigen Corona-Pandemie kündigen. Denn bereits getätigte Aufträge wurden in den letzten Monaten zigfach storniert, neue sind nicht hinzugekommen, die Rücklagen fast aufgebraucht. Alle aktuellen Infos im kostenfreien Corona-Liveblog .

Seit 2001 existiert die Firma, die deutschlandweit einen Namen hat. Mit ihrem Portal ist sie regelmäßiger Anlaufpunkt für 2000 Anbieter – für Agenturen, Tourismusgesellschaften, Reiseveranstalter, darunter auch mehr als drei Dutzend Partnern aus Thüringen. Neben dem Vermittlungsservice fungierten Hirschfeld & Co. als kompletter Service-Dienstleister, organisierten für deutsche Firmen auf fast allen Erdteilen verschiedenste Veranstaltungen – Messen, Tagungen, Jubiläen, Dankeschön-Feiern. „Bis März 2020 haben wir im Vorfeld und vor Ort alles geplant, egal, ob es in Barcelona, Shanghai oder San Francisco war.“ Viel Aufwand, der aber gutes Honorar gebracht hat, „2019 war wirtschaftlich unser bestes Jahr“, so Nils Hirschfeld.

Viele Anfragen für Online-Feiern

Jetzt wirbt das geschrumpfte Team auf seiner Homepage mit der Schlagzeile: „5.000 Programm-Ideen für Betriebsausflüge, Teambuildings, Weihnachtsfeiern, Incentives“. Gerade Letzteres, besondere Motivations-Maßnahmen für Mitarbeiter, seien gefragt gewesen. Doch der zweite Lockdown verhindert auch da größtenteils die Umsetzung.

Geschäftsführer Nils Hirschfeld
Geschäftsführer Nils Hirschfeld © Marco Wicher | Marco Wicher

So finden die klassischen Weihnachtsfeiern, die bis zu 20 Prozent des Jahresumsatzes ausmachen, nicht statt. Auch die mobilen Outdoor-Weihnachtsmärkte auf den Firmengeländen sind kein Thema mehr. Immerhin gibt es nun viele Anfragen für Online-Feiern, bei denen sich Mitarbeiter vor dem Bildschirm treffen: Um gemeinsam Escape-Games zu spielen, Plätzchen zu backen, Glühwein zu trinken oder zusammen den Auftritt eines Künstlers anzuschauen. An den Konzepten arbeitet Hirschfelds Mini-Mannschaft. „Das mutet vielleicht alles etwas fremd an, doch das Virtuelle findet riesiges Interesse, auch wenn es persönliche Begegnungen nicht ersetzt. Da echte Feiern derzeit unmöglich sind, verzeichnen wir einen richtigen Ansturm auf Online-Events.“ Denn Chefs von Unternehmen versuchen, die vielleicht schönste berufliche Veranstaltung des Jahres ins Digitale zu retten. Wissend, dass eine wertgeschätzte und motivierte Belegschaft wichtig ist.

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Kundenberatung vorzugsweise elektronisch

Nils Hirschfeld erkennt in der Krise jedenfalls eine Chance und zieht Schlussfolgerungen. „Das Digitale wird immer bedeutsamer. Darauf müssen wir uns wie andere Branchen einstellen und neu ausrichten.“ So biete man künftig die Kundenberatung vorzugsweise elektronisch an und würde auch nicht mehr selbst als Veranstalter, sondern nur noch als Vermittler in Erscheinung treten. Das sei sonst finanziell ein zu großes Risiko, so der 57-Jährige, der in diesem Zusammenhang aber die bisherige Hilfe des Staates lobt. „Die Anträge waren zwar kompliziert, doch wir haben Sofort- und Überbrückungshilfe erhalten. In welchen Land gibt es eine solche Unterstützung schon?“

Die kommenden Monate hat er als Einkommensquelle allerdings abgehakt, „denn eine Normalisierung wird dauern.“ Aber stellt sich diese überhaupt ein? Eine Umfrage unter den Partnern hätte schon im Oktober gezeigt, dass die Branche mit einer Veränderung rechnet. Mehr als zwei Drittel der von Hirschfeld Touristik befragten Agenturen, Tagungshotels und Anbietern von Events gaben beispielsweise an, dass die Kunden inzwischen nur kurzfristig Verträge mit der Möglichkeit von Stornierungen abschließen wollen.

Das Fazit von Nils Hirschfeld: Man müsse sich vor allem selbst vertrauen, Umstände und Bedingungen der Situation anpassen.

Dazu gehört auch der baldige Umzug.

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