Jena. Seit Jahren fährt der Jenaer Software-Entwickler Intershop immer wieder Verluste ein. Nun ist eine kritische Schwelle erreicht.

Aktionäre des Jenaer Software-Entwicklers Intershop Communications AG sind Kummer gewohnt. Seit einigen Jahren fährt der Pionier des Internet-Handels immer wieder Verluste ein. Trotzdem gelang es immer wieder, über Kredite und auch Kapitalerhöhungen, den laufenden Betrieb zu erhalten.

Nun aber ist eine kritische Schwelle erreicht, die etwa 20 der zuletzt 336 Mitarbeiter ihre Arbeitsplätze kosten wird. Weil die Hälfte des Eigenkapitals verbraucht ist, muss eine außerordentliche Hauptversammlung einberufen werden – am 20. Dezember stellen sich Vorstandssprecher Jochen Wiechen und sein Kollege Markus Klahn zusammen mit dem Aufsichtsrat den Aktionären in der Sparkassen-Arena Jena.

Dabei lief das Geschäft zuletzt besser – nur waren auch die selbst gesteckten Ziele offenbar ein ganzes Stück zu hoch. Geplante Umsätze konnten nicht erreicht werden, das Planziel für Neukunden wurde – obwohl etwa zur Hauptversammlung im Frühsommer bereits nach unten korrigiert – nicht erreicht. 23,36 Millionen Euro betrug der Umsatz in den ersten neun Monaten des Jahres 2019, knapp zwei Prozent weniger als im gleichen Zeitraum des Vorjahres.

Vorstandssprecher Jochen Wiechen.
Vorstandssprecher Jochen Wiechen. © OTZ | Tino Zippel

Mietmodell reißtkurzfristig eine Lücke

Wobei der Umsatz zuletzt anzog. „Zum Jahresende erwarten wir beim Umsatz ein Plus gegenüber dem Vorjahr“, sagt Wiechen. Er setzt nicht zuletzt auf das „Weihnachtsgeschäft“. Um Gewinn zu erwirtschaften reicht das noch nicht, denn das Unternehmen stellt gerade um vom Softwareverkauf auf eine Art Mietmodell. Software als Rundum-Dienstleistung. Kunden zahlen also nicht auf einen Schlag, sondern in monatlichen Raten, abhängig von Umfang des Auftrags. Das Unternehmen kann sich dann auf mehrere Jahre Umsatz verlassen, wenn aber zugleich größere Umsätze aus gewöhnlichem Verkauf wegbrechen, hat man ein Finanzierungsproblem, das sich jetzt offenbart. Im Quartalsbericht des Unternehmens findet sich auch die Aussage, dass der Spagat zwischen den zwei Geschäftsmodellen schwierig ist, man den gewünschten Automatisierungsgrad noch nicht erreicht habe und deshalb Kapazitäten gebunden seien, die anderswo fehlten.

Nach neun Monaten stand unter dem Strich ein Verlust von 4,8 Millionen Euro. Er fiel damit höher aus als in den ersten drei Quartalen des vergangenen Jahres mit damals 3,9 Millionen Euro. Vor allem im deutschsprachigen Raum hat man zuletzt die Erwartungen verfehlt, während es in den USA kaum hätte besser laufen können. Allerdings kommt der US-Umsatz von einem niedrigen Niveau, da hilft die Fast-Verdoppelung auf knapp fünf Millionen in den ersten neun Monaten nicht, die Probleme in Europa auszugleichen. Hier kämpft man nicht zuletzt mit mächtiger Konkurrenz des Software-Riesen SAP, der längst nicht mehr nur Software für interne Firmenprozesse anbietet.

Heftige Schwankungbeim Aktienkurs

Dass die Erwartungen zuletzt nach unten gesetzt wurden, sieht man deutlich am Aktienkurs. Seit Mitte Oktober hat die Aktie zwischenzeitlich etwa 40 Prozent verloren, der Kurs erreicht in dieser Woche ein Tief bei etwa 60 Cent. Aus knapp 50 Millionen Euro Marktkapitalisierung wurden binnen weniger Tage 30 Millionen Euro. „Das bewegt mich auch“, sagt Wiechen, der selbst 100.000 Aktien hält. Die Aktie wird auch Thema der Hauptversammlung sein: Aus drei Aktien soll eine werden. Das ändert nichts an den Problemen, aber der Kurs wäre dann wieder deutlich oberhalb von einem Euro. Das kommende Jahr soll dann deutlich konservativer geplant werden. „Damit wir Erwartungen vielleicht auch mal übererfüllen können“, sagt der Vorstandssprecher. Erst einmal müssen dafür 20 Mitarbeiter gehen. „Das betrifft auch die Standorte Berlin und Jena.“ Kosten will man einsparen, Ineffizienzen aufspüren. Eine Million Euro Kosten sind dafür angesetzt, denn es werden Abfindungen fällig. Bis Jahresende soll dieser Schritt erledigt sein. Einfluss auf den Umzug in neue Räume im nächsten Jahr soll all das nicht haben. „Damit soll auch Geld gespart werden“, sagt Firmensprecherin Heide Rausch. Immerhin, manchen regten die Meldungen aus dem Unternehmen zum Aktienkauf an. Am Mittwoch kletterte der Aktienkurs zwischenzeitlich um mehr als 10 Prozent nach oben.