Weberstedt. Der „Town & Country“-Gründer hat ein Buch über das Waldbaden geschrieben, das ihm aus dem Burnout half.

Das Waldbaden hat den „Town & Country“-Gründer und Erbauer des Wald-Resorts in Weberstedt, Jürgen Dawo, aus dem Burnout geholt. Und wie er sagt, hat es ihm seine Kraft und Ausgeglichenheit zurückgegeben. Jetzt hat er ein Buch über das Shinrin-Yoku geschrieben, wie das Waldbaden in Japan heißt, wo die Stressbewältigung längst zur Gesundheitsvorsorge gehört. Titel: „Waldbaden – Zurück zur Natur: Mehr Kraft und Ausgeglichenheit mit der Hainich Shinrin-Yoku-Methode“.

Waldbaden halten viele für Quatsch, weil es angeblich nur ein anderer Begriff für einen Spaziergang durch den Wald oder Wandern ist. Ist es tatsächlich dasselbe?

Nein. Ich gehe oft mit Menschen zum Waldbaden, die auch im Wald spazieren gehen. Wenn ich sie 15 Minuten an den Baum lehnen lasse, als ob sie ein Kind wären, das noch nie im Wald war, merken sie, dass Waldbaden nicht Spazierengehen ist. Und sie sind immer überrascht, was sie riechen, spüren und sehen. Sich in der Natur aufzuhalten und wirklich alles wahrzunehmen ist kein Spaziergang oder gar Marathonwandern. Das Waldbaden ist nicht das Gehen, sondern das Konzentrieren auf sich selbst. Ich weiß aber, dass das belächelt wird. Ich weiß auch, dass viele sagen, wir machen hier im Wald-Resort was für Manager. Was ja nicht stimmt, jeder kann beim Waldbaden mitmachen.

Wieso haben Sie ein Buch über das Waldbaden geschrieben?

Weil es Bücher gibt, die mir zu esoterisch sind. Waldbaden ist nicht das Bäume-Umarmen, was viele Bücher glauben machen wollen. Das stößt eher ab. Wenn das aber einer von sich aus macht, dann ist das wunderbar. Wenn ich meine Waldbaden-Teilnehmer frage, ob sie sich bei dem Baum bedanken wollen, an den sie sich gerade angelehnt haben und der ihnen Kraft gegeben hat, umarmt tatsächlich mehr als die Hälfte den Baum. Oder sie streicheln ihn mal kurz.

Sie haben das Buch auf der Buchmesse in Leipzig vorgestellt, wie war das Echo?

Ich gebe zu, es war eine erste Buchmesse, die ich besucht habe. Und es war auch meine erste Lesung. Ich habe die Zuhörer eine Verwurzelungsübung machen lassen, danach sind viele zu mir gekommen und haben von ihren Naturerfahrungen berichtet. Aber es gibt ja unterschiedliche Möglichkeiten, wie ich zu mir finde. Die einen angeln, die anderen stricken. Wenn man eine Stunde strickt und ist ganz bei seinen Maschen im Hier und Jetzt, ist es dasselbe. Letztlich muss jeder seinen eigenen Weg finden.

Wie sind Sie zum Waldbaden gekommen?

Naturverbunden war ich schon als Kind. Als ich 2014 in den Burnout gerappelt bin und durch die Natur wieder herausgekommen bin, war ich genauso leistungsfähig wie früher. Damals habe ich den Arzt Matthias Becker kennengelernt und mit ihm überlegt, wie man Angestellte und Führungskräfte sensibilisieren kann, dass sie die Vorzeichen vor einem Absturz, also vor einer psychischen Erkrankung erkennen. Und Spannung und Entspannung wieder ernst nehmen, deren Ungleichgewicht die Ursache für Burnout ist. Ich habe letztlich gesagt, wenn es so einfach ist, über die Natur gesund zu werden, bringen wir das den Menschen wieder bei.

Dann haben Sie also die Hainich-Shinrin-Yoku-Methode entwickelt.

Ja. Dabei geht es darum, die Natur mit allen fünf Sinnen wahrzunehmen. Atem-, Achtsamkeits- und Verwurzlungsübungen sind toll. Aber um Kindern und Enkelkindern wirklich etwas mitzugeben, muss ich auch dem Erwachsenen die Möglichkeit geben, dass er sich wieder zurückerinnert. Wenn ich heute mit Erwachsenen in den Wald gehe, wissen 15 von 20 nicht, was eine Schlüsselblume ist. Das hat mich schockiert. Und das war auch der Grund, weshalb ich die Hainich-Shinrin-Yoku-Methode entwickelt habe. Das Wissen über die Natur gehört dazu. Wir leben auf dieser Erde, aber wir wissen fast nichts mehr über sie. Die Leute sind immer wieder überrascht, was sie alles in der Natur wahrnehmen können. Wenn ich mein Kind nicht mehr barfuß rauslasse und gleich wieder ins Haus hole, wenn es regnet, läuft meiner Meinung nach irgendwas falsch.

Sie wollen im Hainich Deutschlands Zentrum für Waldbaden entwickeln. Wie ist der Stand?

Wir haben jetzt den ersten Ausbildungsdurchgang für Natur- und Waldtherapie-Guides abgeschlossen. Der nächste Kurs ist auch wieder gut besucht, damit können wir einen zweiten Lehrgang zu Ende bringen. Wir werden jedes Jahr zwei Lehrgänge machen. Wenn jemand Therapeut ist, darf er sich Natur- und Waldtherapeut nennen. Aber wir bilden keine Waldtherapeuten aus, weil eigentlich der Wald der Therapeut ist, der uns die Ruhe und die frische Luft gibt und Dr. Wald schreibt keine Rechnung. Ich bin der festen Überzeugung, wenn mehr in der Natur sind, nimmt das ökologische Denken wieder zu. Heute spricht jeder über Umweltschutz und Ökologie. Es geht aber nur um den Kohle- und Atomkraftausstieg. Dass sich jemand auf die Natur einlässt, ist nicht der Fall. Selbst solche, die sich als Naturschützer bezeichnen, fangen an zu kreischen, wenn die ersten Ameisen kommen.

Sie hatten angekündigt, dass sie auch für die Nationalparkführer Ausbildungen zum Natur- und Waldtherapie-Guide anbieten wollen.

Wir haben einen Workshoptag nächste Woche und wollen versuchen, dass wir den Nationalparkführern für drei Tage und wenig Geld diese Möglichkeit anbieten. Denn ich will, dass diejenigen, die das Waldbaden vermitteln, auch etwas über die Region wissen. Und ich möchte, dass die Region rundherum abgedeckt wird und man Waldbaden auch über das Hotel buchen kann. Ich mache zwölf Waldbaden-Veranstaltungen im Jahr und habe eigentlich nicht die Zeit dafür. Obwohl auch jeder Kurs eine Erholung für mich ist.

Haben Sie keine Angst, dass der Hainich in der Zukunft von Touristen überschwemmt werden könnte?

Das wird nie passieren. Zum einen haben wir in der Region gar nicht so viel Übernachtungskapazitäten für Touristen. Zum anderen haben wir hier nur den Wald, haben weder Wasser, noch Berge. Auch wenn der Wald Unesco-Weltnaturerbe ist und wir davon nicht so viel in Deutschland haben.

Haben Sie weitere Buchpläne?

Es wird ein zweites Buch geben. Aber das kann noch ein Jahr dauern. Es wird darin um direkte Anweisungen für Führungskräfte gehen. Ich will deutlich machen, dass der Obstkorb in der Firma oder die Massageliege gut ist, aber dass einmal in der Woche mit einem Coach in den Wald zu gehen, die bessere Lösung darstellt.

Jürgen Dawo: Waldbaden – Zurück zur Natur: Mehr Kraft und Ausgeglichenheit mit der Hainich Shinrin-Yoku-Methode; Natur+Text-Verlag, 120 Seiten; 14,99 Euro