Erfurt. Der angestrebte Kohleausstieg zwingt zum Ausbau der Förderung. Die Branche sucht den Dialog mit Politik und Verbänden in Thüringen.

Die deutsche Gipsindustrie gerät durch den beschlossenen Kohleausstieg massiv unter Druck.

Mehr als die Hälfte des momentan genutzten Gipses gewinnt die Branche aus Rauchgasentschwefelungsanlagen an Kohlekraftwerken. „Diese 55 Prozent fallen absehbar komplett weg“, sagte gestern in Erfurt der Geschäftsführer des Bundesverbandes Gips, Holger Ortleb. Diese Mange könne man unmöglich durch das Recycling auffangen, so Ortleb.

Daher sei eine Erweiterung des Gipsabbaus unerlässlich. Allerdings liege nahezu die Hälfte des deutschen Vorkommens im Südharz. Dort sind auch die großen Unternehmen der Branche ansässig.

So baut Casea mit 76 Beschäftigten in Ellrich in Thüringen den Gips ab, die Firma Saint-Gobain zählt am Standort Walkenried in Niedersachsen 127 Mitarbeiter und bei der Firma Knauf arbeiten 238 Menschen in zwei Werken in Rottleberode in Sachsen-Anhalt.

Die wirtschaftliche Bedeutung dieser Unternehmen ist in den zurückliegenden Jahren gestiegen, belegt eine Studie vom DIW Econ, dem Beratungsunternehmen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung in Berlin. So habe die gesamte Bruttowertschöpfung, die von der Gipsindustrie im Südharz ausgeht, seit dem Jahr 2014 um 18 Prozent auf 108,7 Millionen Euro zugenommen, berichtete Lisa Sophie Becker als Mitautorin der Studie.

Die Zahl der Beschäftigten wuchs demnach um 23 Prozent auf 1647. „Auch das gesamte Aufkommen an Steuern und Sozialbeiträgen ist angestiegen, und zwar auf 57,3 Millionen Euro“, sagte Becker.

Die Beträge der Unternehmen im Bereich freiwilliger sozialer Engagements erfuhren laut Becker mit 41 Prozent ebenfalls einen erheblichen Zuwachs auf 155.000 Euro. Erfreut über die Zahlen zeigte sich Lars Kothe, Sprecher der Arbeitsgemeinschaft Harzer Gipsunternehmen. Man wolle mit dem wirtschaftlichen Agieren in der Region diese lebendig halten und für gut bezahlte Arbeitsplätze sorgen. „Deshalb wollen wir im Südharz weiter investieren“. so Kothe. Das werde aber durch die Umweltgesetzgebung Thüringens deutlich erschwert.

Ministerpräsident lädt alle Beteiligten ein

Bereits jetzt habe das Land Thüringen neun Naturschutzgebiete im Zechsteingürtel am Südharzrand auf einer Fläche von 1740 Hektar ausgewiesen, weitere sechs Gebiete mit einem Gesamtumfang von 715 Hektar seien geplant, sagte Malte Gemeinhardt von der Firma G & P Umweltplanung in Erfurt.

Zudem habe man den Naturpark Südharz über das gesamte Gebiet gelegt, auch über bereits bestehende Abbauflächen in der Region. Das mache künftige Abbauflächen zwar nicht gänzlich unmöglich, verzögere aber wegen der komplizierten Ausnahmegenehmigungen das Verfahren auf bis zu 20 Jahre, erklärte Gemeinhardt.

So viel Zeit bleibt den Unternehmen der Branche laut Ortleb nicht, weil schon in absehbarer Zeit rund sechs Millionen Tonnen Gips pro Jahr fehlen werden. Die Unternehmen setzen daher auf den Dialog mit Politik und Naturschutzverbänden.

Es könne nicht sein, dass im Südharz um jeden Zentimeter Boden gekämpft werde, räumte auch Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) ein. Er hat alle Beteiligten für den 18. September eingeladen.