Rüsselsheim. Opel-Chef Michael Lohscheller hat sich im Gespräch mit uns über die Zukunft des Unternehmens und die Bedeutung des Thüringer Standortes Eisenach geäußert.

Die Opel-Zentrale in Rüsselsheim: Mit langen Schritten eilt der Opel-Chef durch die luftige, gläserne Lobby. Vorbei an den aktuellen Modellen, die hochglanzpoliert in blütenweißem Lack die Blicke auf sich ziehen. Es ist nicht leicht, dem Zwei-Meter-Mann zu folgen.

Michael Lohscheller (51) ist Marathon-Mann, trainiert viermal die Woche. Auch dem Unternehmen hat er ein gewaltiges Fitness-Programm verordnet. Im Interview spricht er über erste Erfolge, Opels Zukunft und die Herausforderungen durch Klimaschutz und Elektromobilität.

Herr Lohscheller, Opel hat eine schwere Zeit hinter sich und mit dem französischen PSA-Konzern neue Besitzer. Wie ist es bislang mit den Franzosen gelaufen?

Michael Lohscheller: Wir können nach knapp zwei Jahren als Teil der Groupe PSA eine positive Zwischenbilanz ziehen. Wir haben 2018 zum ersten Mal seit 1999 Gewinne geschrieben. Und es war kein kleiner Gewinn, sondern mit rund 860 Millionen Euro operativem Ergebnis sogar der höchste Wert unserer 157-jährigen Unternehmensgeschichte.

Wir haben dabei eine Rendite von 4,7 Prozent erzielt. Das ist noch nicht Weltklasse, aber in einem herausfordernden Wettbewerbsumfeld schon besser als etliche Mitbewerber. Unsere Produktpalette ist neu aufgestellt, wir investieren stark in die Elektrifizierung und wir gehen außerhalb Europas in neue Märkte. Opel ist also auf einem guten Weg, nachhaltig profitabel, elektrisch und global zu werden. Wir genießen also neue Freiheiten.

Ich sage immer: Paris ist uns näher als Detroit es jemals war – nicht nur geografisch gesehen.

Wie haben Sie es in die schwarzen Zahlen geschafft?

Wenn Sie 18 Jahre Verluste machen, müssen Sie ein Unternehmen komplett verändern. Wir haben alles auf den Kopf gestellt, haben unsere Kosten konsequent gesenkt und gleichzeitig die Erlöse pro Fahrzeug gesteigert.

Als erstes haben wir das Top-Management um mehr als ein Viertel verkleinert, teure Komplexität aus dem Modellangebot genommen und zugleich die Verkäufe besser ausgestatteter Modelle zu höheren Preisen gesteigert. Auch schwierige Themen wie eine Reduzierung der Mitarbeiterzahl haben wir angepackt und sozialverträglich gelöst.

3700 Mitarbeiter haben sich für ein freiwilliges Vorruhestands- oder Abfindungsangebot entschieden. Anders als früher, haben wir also nicht nur große Pläne angekündigt, sondern sie auch konsequent umgesetzt. Wir träumen nicht, wir liefern. Jetzt strahlt der Blitz endlich wieder.

Reichen Ihre Gewinne, um die Transformation in die E-Mobilität und ein Forschungszentrum zu finanzieren?

Wichtig ist, dass wir nachhaltig Gewinne erzielen. Wir brauchen die Mittel tatsächlich für Investitionen in Elektromobilität. Denn bis 2024 wollen wir unser gesamtes Produktangebot elektrifiziert haben. Wir müssen aber in der Tat noch besser werden ...

... wo genau?

... wir müssen besser werden beim Thema Effizienz und Kosten. Das reicht noch nicht aus. Und mit unseren neuen Modellen wollen wir höhere Marktanteile gewinnen. Besonders die elektrischen Opel, die jetzt kommen, müssen im Markt erfolgreich sein.

Lauern noch Risiken bei Ihren Dieseln? Drei Modelle wurden beanstandet ...

Wir haben 2017 sofort freiwillige Service-Aktionen gestartet, die gut angenommen wurden. Bei lediglich weniger als 5000 Fahrzeugen in Deutschland steht das Softwareupdate noch aus, die Zahl wird täglich geringer.

Wie teuer kommt das Opel? VW hat der Dieselbetrug schon 30 Milliarden gekostet ...

Die Summe ist in keiner Weise mit den Beträgen zu vergleichen, die Mitbewerber aufbringen mussten.

Wie sieht Ihre künftige Modellstrategie aus? Astra und Insignia werden noch auf Plattformen der alten Opel-Mutter General Motors gebaut.

Wir hatten früher neun Plattformen und reduzieren diese bis 2024 auf zwei. Eine kleine und eine große, die im gesamten Konzern genutzt werden können. Für jede gibt es zusätzlich zu Diesel und Benziner jeweils einen elektrifizierten Antrieb – entweder rein elektrisch oder als Plug-in-Hybrid. Auf diesen flexiblen und effizienten Plattformen basieren zukünftig alle Modelle.

Ganz wichtig sind auch unsere leichten Nutzfahrzeuge – Combo, Vivaro und Movano. Dieser Bereich wächst stark, etwa durch die Zustelldienste. In diesem Segment war Opel bislang unterrepräsentiert – und jetzt verzeichnen wir hier große Zuwachsraten.

Wann gibt’s einen wirklich preiswerten E-Opel?

Am 4. Juni feiert unser neuer Corsa seine Weltpremiere. Unser Kleinwagen-Bestseller wird nicht nur das leichteste Fahrzeug seiner Klasse sein, sondern auch von Beginn an als vollelektrische Version bestellbar sein – zu einem attraktiven Preis. Mehr kann ich noch nicht verraten.

Die kleineren Fahrzeuge eignen sich besonders für den E-Antrieb. Grundsätzlich werden wir bis 2024 jedes Auto auch mit einer elektrifizierten Variante anbieten.

Es gibt anhaltend Sorge, ob Opel alle Werke in Deutschland behält. Können Sie auch heute noch versprechen, dass es bei Rüsselsheim, Eisenach und Kaiserslautern bleibt?

Absolut. Wir behalten alle unsere Werke. Dazu haben wir einen Zukunftstarifvertrag mit der IG Metall und dem Betriebsrat geschlossen. Wir brauchen unsere Standorte und auch unser Entwicklungszentrum in Rüsselsheim, das Herz unserer Marke. Alle künftigen Opel-Modelle werden hier entwickelt, das war früher nicht immer so.

Hier übernehmen wir auch zentrale Entwicklungsaufgaben für die gesamte Groupe PSA. Eisenach ist für uns ganz wichtig, um das SUV-Geschäft zu erweitern. Und Kaiserslautern ist wichtig als Komponentenwerk.

In Eisenach ist die Produktion des kleinen Opel Adam beendet. Was bedeutet das für die Zahl der Arbeitsplätze?

In Eisenach stellen wir die Produktion von den alten GM-Plattformen auf die modernen Multi-Energy-Plattformen des PSA-Konzerns um. Wir werden dort den SUV Grandland X produzieren – auch in einer Hybrid-Variante. Wir bauen dort also ein Auto in einem wachsenden Segment, das auch dank der Möglichkeit der Elektrifizierung zukunftsfähig ist.

Sie sehen: Das Werk in Eisenach spielt in unseren Zukunftsplanungen eine wichtige Rolle. Und selbstverständlich gilt die Beschäftigungssicherung bis 2023 auch dort.

Wie viele Schichten wollen Sie fahren?

Grundsätzlich planen wir, alle unsere Werke in zwei Schichten auszulasten.

Was passiert mit Ihren Mitarbeitern während der Umrüstzeit?

Die sind da natürlich eingebunden. Das ganze Werk muss umgebaut werden – alle Logistik-Ketten werden verändert, die Arbeitsabläufe neu organisiert, neue Anlagen aufgebaut. Dazu kommt das Training der Mitarbeiter.

Ende August wird dann der erste Grandland X in Eisenach offiziell vom Band rollen.

Was bedeutet die Produktionsumstellung für die Zulieferer der Region?

Wir haben ein komplett neues Fahrzeug, eine neue Plattform und damit zum Teil auch neue Lieferanten.

Wissen Sie, wie viele Arbeitsplätze davon betroffen sind?

Wir bauen in Thüringen ein neues, zukunftsfähiges Geschäft in einem Wachstumsmarkt auf. Davon wird auch die Region profitieren.

Die Schließung des Bochumer Opel-Werks im Jahr 2014 war ein Schock für die Region in Nordrhein-Westfalen. Ist für Sie der Schritt aus heutiger Sicht noch richtig?

Wir müssen in die Zukunft blicken und sind heute in der Lage, alle Opel-Werke zu behalten und auszulasten. Das ist entscheidend.

Zurück zur Zukunft: Was macht Sie so sicher, dass der Kunde Ihre riesigen Investitionen in Elektrofahrzeuge honoriert und die Wagen auch kauft?

Warum war Elektromobilität für Kunden bislang nicht so attraktiv? Da hören Sie immer: Das liegt an Kaufpreis, Reichweite und Lademöglichkeit. Auf allen drei Feldern ist mittlerweile Opel gut aufgestellt.

Der Ampera-e hat 520 Kilometer Reichweite, er bringt richtigen Fahrspaß und ist dazu noch günstig im Unterhalt: Sie können seine Batterie für etwa zwölf Euro aufladen. Der E-Corsa wird mit einem sehr interessanten Preis kommen und die Ladeinfrastruktur wird immer besser. Bestes Beispiel ist Rüsselsheim: Die Opel-Stadt wird im Jahr 2020 Electric City mit 1300 Ladepunkten.

Volkswagen sieht die Zukunft des Antriebs ausschließlich im Elektroantrieb. Ist das nicht voreilig? Was ist, wenn bei der Brennstoffzelle der Durchbruch gelingt?

Ich bin überzeugt, dass wir uns beim Antrieb breit aufstellen müssen. Die Kunden werden bei uns entscheiden – und zwar nicht nur schwarz-weiß. Sie wollen künftig sicher viel stärker E-Antriebe, aber es wird auch weiterhin eine substanzielle Nachfrage nach Benzinern und Dieseln geben.

Und auch die Brennstoffzelle ist eine spannende Technologie. Daran forschen wir intensiv – in unserem Entwicklungszentrum übrigens federführend für den gesamten PSA-Konzern. Das einseitige Fixieren auf nur eine Lösung ist aus unserer Sicht nicht der richtige Weg.

Volkswagen-Chef Diess kann sich die Verteuerung von CO2 vorstellen. Ist das auch Ihre Position?

Das kommt darauf an. Es kann ja nicht nur darum gehen, eine zusätzliche CO2-Steuer zu schaffen. Wenn man so etwas will, muss man das gesamte Besteuerungssystem neu aufstellen. Wir denken aber schon, dass die CO2-Bepreisung als Instrument, das einen Beitrag zum Klimaschutz leisten kann, ergebnisoffen diskutiert werden sollte.