Erfurt. Beim IHK-Forum stellten sich die Thüringer Spitzenkandidaten den Fragen von Wirtschaftsvertretern.

Am Sonntag wird in Thüringen ein neuer Landtag gewählt. Kurz davor stellten sich die Spitzenkandidaten der Landtagsparteien und der FDP, die Chancen auf eine Rückkehr ins Parlament hat, den Fragen der Unternehmer in Thüringen. Eingeladen hatte die Initiative „WIRtschaft für Thüringen“, der unter anderem die drei Thüringer Industrie- und Handelskammern (IHK), der Verband der Wirtschaft Thüringens, die Ingenieurkammer Thüringen, die Handwerkskammer Erfurt oder der Bundesverband der mittelständischen Wirtschaft angehören. Moderiert wurde die Runde von den Politikredakteuren Fabian Klaus und Martin Debes von der Mediengruppe Thüringen.

Im großen Saal der IHK Erfurt äußerten sich Linke-Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke), CDU-Landes- und Fraktionschef Mike Mohring, SPD-Wirtschaftsminister Wolfgang Tiefensee, die grüne Umweltministerin Anja Siegesmund und FDP-Landeschef Thomas Kemmerich. AfD-Spitzenkandidat Björn Höcke ließ sich von seinem Co-Landeschef Stefan Möller vertreten. Er wünsche sich Einsicht und Klarheit von der Runde, sagte IHK-Präsident Dieter Bauhaus in seiner Anmoderation. Das Auditorium war aufgefordert, per TED-System über die Themen abzustimmen.

Lehrermangel als große Herausforderung

Erster Themenblock ist nach Publikumsabstimmung der Ausbau der digitalen Infrastruktur. Also Breitband, LTE und 5G. Wolfgang Tiefensee ist über das Interesse an der Frage nicht überrascht: „Thüringen ist beim Ausbau vorangekommen“, sagt er. Für den Ausbau seien zu allererst die Kommunikationsunternehmen zuständig. „Was die Privatwirtschaft nicht leisten kann, übernimmt die öffentliche Hand“, sagt Tiefensee.

Die rot-rot-grüne Koalition räumt Fehler ein: „Wir sind noch nicht da, wo wir hin wollen“, sagt Anja Siegesmund. Problem seien die großen Netzbetreiber. „Wenn es die gängigen Unternehmen nicht hin bekommen, brauchen wir andere“, sagt sie. Durch private Initiative seien in Thüringen 500 Dörfer angeschlossen worden. „Da wurde geschafft, was der Telekom nicht gelingt“, sagt Ministerpräsident Bodo Ramelow. Laut Mike Mohring soll mit den Mitteln gearbeitet werden, die zur Verfügung stehen. Ferner wolle die CDU den „5G-Masterplan durchsetzen“. Dazu gehöre die Gründung einer Glasfasergesellschaft.

„Nach fünf Jahren hat die Regierung ihre Chance nicht genutzt“, entgegnet Thomas Kemmerich. 5G Netzausbau sei vorerst utopisch, es gehe um LTE. Hierfür müssen die Vergabegenehmigung beschleunigt und keine Gesellschaften gebildet werden. Die Digitalisierung der Verwaltung, die Kommunikation von Bürgern, Unternehmern und Verwaltung, Telemedizin und moderne Logistik seien nur möglich mit Breitband. „Deswegen müssen wir Modellregion werden“, sagt Thomas Kemmerich.“ Sonst kommt der Abschwung auch bei den Unternehmern an“.

Gegen eine Breitbandgesellschaft spricht sich auch Stefan Möller aus. „Was kann die besser als ein Unternehmen?“, fragt er. Ein grundlegendes Problem sei die Finanzierung von Personal für den Breitbandausbau. Es seien in diesem Kontext Projektspannen von teilweise bis zu fünf Jahren notwendig – „da fehlt es am Personal“, so Möller.

Anschließend wurde über Bildungspolitik diskutiert. Größte Herausforderung laut TED: Der Lehrermangel und Unterrichtsausfall an den Schulen. Laut Bodo Ramelow musste seine Regierung die Fehler der CDU-geführten Vorgängerregierungen korrigieren. Der Abbau von Lehrerstellen sei gestoppt, die Zahl der Pädagogen bei 17.200 stabilisiert worden.

Tiefensee: Schulen sollten in ihrer Eigenständigkeit gestärkt werden

Der Kritik von Mike Mohring, dass unter Rot-Rot-Grün eine Million Stunden ausgefallen seien, entgegnete Ramelow: „Hätten wir so weitergemacht wie Sie, wäre die Zahl doppelt so hoch.“ Mohring wiederum sagte, dass Rot-Rot-Grün zu wenige Lehrer eingestellt habe.

Wolfgang Tiefensee will in der Debatte indes nach vorne blicken. Die Schulen sollten in ihrer Eigenständigkeit gestärkt werden, über ein eigenes pädagogisches Budget verfügen und gleichzeitig von bürokratischem Aufwand entlastet werden. Zudem will er mit einem Stipendium Lehrer für den ländlichen Raum gewinnen. Kabinettskollegin Anja Siegesmund will das Lehrerpersonal so weit aufstocken, dass der Ausfall von Pädagogen problemlos aufgefangen werden könne.

Stefan Möller forderte ebenfalls mehr Lehrer, etwa durch Quereinsteiger. Zudem seien die Schulen „durch die flächendeckende Inklusion überfordert“. Thomas Kemmerich kritisierte, dass unter Rot-Rot-Grün, „die Berufsschulen rasiert wurden“.

Beim Thema Umwelt und Energie setzt der TED den Fokus der Dringlichkeit auf die Definition von Klimaschutzzielen in Thüringen. Die Frage, ob sie das bei Unternehmern schon jetzt nicht beliebte Klimaschutzgesetz in Thüringen weiter verschärfen will, beschwört die Grüne Anja Siegesmund die Gemeinsamkeit von Politik und Wirtschaft. Viele Unternehmen produzierten bereits klimaneutral und setzten auf saubere Energien. Wolfgang Tiefensee sieht in den europäischen und deutschen Normen einen Minimalziel, in Thüringen versuche man darüber hinauszugehen. Die Frage dabei sei, wie man dahin kommt und wer es bezahlt.

Unternehmer für weltoffenes Land

Mike Mohring will Anreize setzen und nicht zuerst über Verbote reden. Niemand soll überfordert werden. Am Ende stehe die Klimaneutralität in Deutschland, Thüringen müsse einen Beitrag leisten. Dazu gehören für den CDU-Chef Ingenieurskunst und Innovationskraft. Wie seine Vorredner verweist auch er auf das Beispiel der Wasserstofftechnologien.

Auch Bodo Ramelow sieht Thüringen hier weit vorn, wir bauen die Tankstellen für die Schweiz, so der Ministerpräsident. Roller mit nicht austauschbaren Batterien hält er für Umweltfrevel. Kemmerich erwartet eine passgenaue wissenschaftliche Antwort auf die Herausforderung des Lebens. Einen deutschen oder eine Thüringer Alleingang beim Klimaschutz hält er für einen Irrweg. Es brauche europäische Lösungen.

Stefan Möller bekräftigt die AfD-Haltung, wonach der Klimaschutz derzeit vor allem auf Hypothesen aufbaue. Es spreche aber nichts dagegen in Forschung und Entwicklung zu investieren. Den Verbrauchern dürften aber nicht Sonderbelastungen aufgebürdet werden.

In der Diskussion ging es unter anderem um eine Unternehmeraktion für ein weltoffenes Thüringen. Die Thüringer Wirtschaft brauche ausländische Fachkräfte. Ein Unternehmer forderte, mehr für die Attraktivität Thüringens zu tun.

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