Berlin. Deutschland ächzt unter der zweiten Hitzewelle in diesem Jahr. Die Grünen fordern bereits eine neue Regelung für den Arbeitsalltag.

Wer nicht in den Ferien ist, muss ganz normal arbeiten. Viele Arbeitnehmer können das in klimatisierten Büros tun, andere bekommen die Hitze aber direkt zu spüren – besonders betroffen sind zum Beispiel Bauarbeiter, Paketboten oder Kellner, die unter freiem Himmel schuften müssen.

Weil dies schon der zweite Sommer in Folge ist, in dem es in Deutschland ungewohnt hohe Temperaturen gibt, wird die Hitze zum Politikum. Die Grünen im Bundestag sind in diesen Tagen die Ersten, die das Thema aufgreifen. Sie haben einen „Hitzeaktionsplan“ vorgelegt. Darin fordern Fraktionschef Anton Hofreiter und die umweltpolitische Sprecherin Bettina Hoffmann, der Hitze auf zwei wichtigen politischen Feldern etwas entgegenzusetzen: Handlungsbedarf sehen sie in der Gesundheitspolitik und bei der Gestaltung der Städte.

Es gebe „keinen gemeinsamen Aktionsplan von Bund und Ländern zum Umgang mit der Hitze“, kritisieren Hofreiter und Hoffmann. „Die Bundesregierung legt die Hände in den Schoß.“ Die wichtigsten Fragen und Antworten zur Hitze-Debatte in Deutschland:

Was fordern die Grünen?

Die Grünen weisen vor allem auf die Folgen des Klimawandels für die Gesundheit hin. Weil Hitzewellen zunehmen würden, könne dies besonders für ältere Menschen problematisch werden, schreibt Fraktionschef Hofreiter in seinem dreiseitigen Aktionsplan. Die Zahl der Hitzetoten könnte steigen. Hohe Temperaturen förderten die Bildung von Ozon in Bodennähe. Schließlich steige durch die brennende Sonne das Risiko für Hautkrebs. Hofreiter fordert die Bundesregierung auf, sich darauf vorzubereiten. Außer „unverbindlichen Handlungsempfehlungen“ komme da aber nichts.

Ginge es nach den Grünen, dann würde ein bundesweites Beratungstelefon zum Umgang mit Hitze eingerichtet werden. Es würde „Hitzepatenschaften“ geben, bei denen Freiwillige sich um einzelne ältere Menschen kümmern. Vor allem aber fordern die Grünen Konsequenzen in der Arbeitswelt: Beschäftigte sollten das Recht bekommen, bei großer Hitze von zu Hause aus zu arbeiten. Für Arbeitnehmer, die unter freiem Himmel, also auf dem Bau oder in der Landwirtschaft, tätig sind, wünscht sich die Ökopartei ein Recht auf Hitzefrei. Sie sollten die Möglichkeit bekommen, ihre Arbeitszeit zu reduzieren, schreibt Hofreiter in dem Aktionsplan.

Da Bewohner von Städten von Hitzewellen besonders betroffen sind und die Temperaturen dort bis zu acht Grad höher sind als im Umland, muss nach Ansicht der Grünen dort am meisten getan werden: Konkret fordert Hofreiter mehr Bäume und Grünflächen, hellere Oberflächen und kostenfreie Trinkwasserbrunnen in Innenstädten.

Was tut die Regierung?

Die Bundesregierung lässt den Vorwurf der Grünen, untätig zu sein, nicht auf sich sitzen. Äußern wollen sich zwar weder Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) noch Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU). Sprecher der beiden Ministerien verweisen aber auf Arbeitsgruppen und Publikationen, die sich mit Hitze und Klimawandel befassen. Dazu gehören die „Handlungsempfehlungen für die Erstellung von Hitzeaktionsplänen“, die eine Arbeitsgruppe von Bund und Ländern Anfang 2017 vorgelegt hat. Damit sollen vor allem gesundheitliche Gefahren begrenzt werden. In dem 30 Seiten dicken Papier finden sich fast alle Forderungen der Grünen. Dort steht aber auch: „Hitzeaktionspläne sind von Ländern beziehungsweise Kommunen individuell zu erstellen.“ Die örtlichen Verhältnisse seien zu unterschiedlich, als dass es bundesweite Regeln geben könne. Wie gefährlich ist die Hitze für die Gesundheit?

Das Robert-Koch-Institut hat vor einem Monat eine Studie vorgelegt, in der untersucht wurde, ob es einen Zusammenhang zwischen der Hitzewelle im Sommer 2018 und dem Tod älterer Menschen gibt. Die Untersuchung bezog sich nur auf die Länder Berlin und Hessen, weil nur dort die nötigen aktuellen Daten zur Sterblichkeit vorlagen. Das Ergebnis aber ist eindeutig: In Hessen starben 740 Menschen wegen der starken Hitze. In Berlin waren es 490 Menschen. Betroffen waren vor allem Personen zwischen 75 und 84 Jahren sowie über 85 Jahre. Bei letzteren ist das Risiko, bei großer Hitze zu sterben, besonders groß. Die Forscher warnen: Da es immer mehr Senioren geben und das Ausmaß der Hitzewellen kaum abnehmen werde, „erwarten wir einen weiteren Anstieg der Anzahl hitzebedingter Sterbefälle“. Nötig sei eine bessere Aufklärung.

Wie reagieren Arbeitgeber und Gewerkschaften?

Am deutlichsten äußert sich der Bauernverband zu den Forderungen der Grünen: „Landwirte tragen Verantwortung für die Ernte, für die Pflanzenbestände und vor allem auch für ihre Nutztiere“, sagt Generalsekretär Bernhard Krüsken. „Das hat Vorrang, den Luxus ‚Hitzefrei‘ können wir uns in der Regel nicht leisten.“ Auch der Arbeitgeberverband BDA sieht keinen staatlichen Handlungsbedarf: Es sei Aufgabe der Betriebe, individuell so zu reagieren, dass Arbeitnehmer trotz hoher Temperaturen gut arbeiten könnten, sagt Hauptgeschäftsführer Steffen Kampeter. Gleitzeitregeln böten genügend Flexibilität.

Ausreichende Arbeitspausen, Arbeit von zu Hause aus und flexible Gleitzeiten sind auch für DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach das Mittel der Wahl. Sie fordert aber zusätzlich Regeln für Arbeitnehmer. Konkret regt sie an, im Baugewerbe nicht nur im Winter, sondern auch bei Sommerhitze ein Ausfallgeld für witterungsbedingte Arbeitspausen zu zahlen: „Wenn aufgrund der Wetterverhältnisse nicht gearbeitet werden kann, würde Arbeitern dann ein Ausfallgeld in Höhe von 60 Prozent des letzten Nettolohns ausgezahlt“, erklärt Buntenbach. Nach Auskunft der IG BAU gibt es zu dieser Frage bereits Verhandlungen zwischen der Gewerkschaft, den Arbeitgebern und dem Bundesarbeitsministerium.

Der Arbeitsschutzexperte der Gewerkschaft, Gerhard Citrich, sagt, es gehöre schon jetzt zur Pflicht von Arbeitgebern, auf die Arbeitsbedingungen ihrer Mitarbeiter zu achten. Bei Jobs auf dem Bau bedeute das in Zeiten großer Hitze, dass sie für Schatten sorgen, die Arbeiten in kühle Tageszeiten verlegen und den Angestellten Schutzkleidung zur Verfügung stellen müssten. „Genauso wie Arbeiter auf der Baustelle Helme und Sicherheitsschuhe tragen müssen, brauchen sie UV-Schutz und Sonnencreme“, so Citrich. Leider sei das noch immer kein Standard.