Erfurt. Im Erfurter Fall des in einer Polizeizelle regungslos gefundenen Algeriers gibt es bisher keinen Hinweis auf eine Straftat.

Der plötzliche Tod des 32-jährigen Algeriers vor zehn Tagen, der Mann war zuvor in einer Zelle der Bundespolizei am Erfurter Hauptbahnhofreanimiert worden, gibt den Ermittlern nach wie vor Rätsel auf.

Auch nach der Obduktion am Freitag, die das Amtsgericht angeordnet hatte, sei die „Todesursache unklar“, teilte die verantwortliche Bundespolizeidirektion Pirna am Wochenende mit.

Zur Klärung der Todesursache seien nun „histologische und chemisch-toxikologische Untersuchungen beauftragt“ worden, hieß es. „Diese werden einige Zeit in Anspruch nehmen.“ Die Hautgewebe- und Giftuntersuchungen stehen offenbar im Zusammenhang mit der größeren Menge Drogenersatzmedikamente, die der junge Mann mit sich geführt hatte.

Kein Anfangsverdacht für ein strafrechtlich relevantes Handeln einzelner Beteiligter

Nach Angaben der Bundespolizeidirektion Pirna gibt es „derzeit keinen Anfangsverdacht für ein strafrechtlich relevantes Handeln einzelner Beteiligter“. Die Staatsanwaltschaft und die Kriminalpolizei Erfurt ermitteln weiterhin wegen eines unnatürlichen Todesfalls.

Der junge Algerier war am Freitag, 19. Juni, nach dem gescheiterten Versuch, in der Bahnhofshalle einen Rucksack zu stehlen, auf frischer Tat vorläufig festgenommen worden. Das geschah gegen 17.30 Uhr.

Bei der Identitätsüberprüfung stellte die Bundespolizei fest, „dass der Mann unerlaubt in das Bundesgebiet eingereist war und sich ohne Berechtigung in Deutschland aufhielt“. Die Drogenersatzmedikamente, die der Algerier in größerer Menge bei sich führte, veranlasste die Polizeibeamten, einen Notarzt hinzuziehen. „Durch diesen wurde um 21.15 Uhr die Gewahrsamstauglichkeit des Mannes bescheinigt“, so die Polizei.

Algerier lag leblos in Zelle

Um 22 Uhr begann die Vernehmung. Da der Beschuldigte jedoch, nach Angaben der Bundespolizei, „zum Teil zusammenhanglose Angaben“ machte und „wiederholt“ einschlief, wurde die Vernehmung um 22.20 Uhr beendet.

Inzwischen hatte die Staatsanwaltschaft Erfurt das von der Polizei beantragte beschleunigte Verfahren gegen den jungen Mann abgelehnt. Statt dessen hatte ein Staatsanwalt angeordnet, dass der Algerier, der kein Bleiberecht hatte, aus dem Polizeigewahrsam zu entlassen sei.

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Dazu kam es aber nicht. „Da der Mann so fest schlief, entschieden die Polizeibeamten, ihn in der Zelle zu belassen und ließen ihn schlafen“, teilte die Bundespolizeidirektion Pirna mit. Die Gewahrsamszelle sei „regelmäßig kontrolliert“ worden. Auffälligkeiten habe es „zunächst“ nicht gegeben.

Um 3.15 Uhr – sechs Stunden nachdem ein Notarzt die Gewahrsamstauglichkeit bescheinigt hatte – lag der junge Algerier leblos in der Zelle.

Polizisten versuchten, zu reanimieren

Mehrere Polizeibeamte versuchten, ihn zu reanimieren. „Durch den hinzugerufenen Notarzt konnte der Mann stabilisiert werden“, notiert die Bundespolizei zum Geschehen.

Am Abend des 20. Juli wurde im Helios Klinikum der Tod des jungen Mannes festgestellt, um 18.30 Uhr – 25 Stunden nach dem versuchten Diebstahl des Rucksacks im Hauptbahnhof.

Die Regierungsfraktionen Linke, SPD und Grünen wollen den Fall im Justizausschuss des Landtags behandeln.

Besonders kritisch äußert sich Sabine Berninger. Die migrationspolitische Sprecherin der Linken im Landtag teilte mit: „Nach den bisher vorliegenden Informationen kommt womöglich der Tatbestand der Freiheitsberaubung infrage, möglicherweise auch unterlassene Hilfeleistung durch Wegnahme der Medikamente.“

Kripo ermittelt zum Tod eines 32-jährigen Algeriers