Zum Tod von Anita Lane, die nicht nur Nick Cave inspirierte. Christian Werner über das Album „Sex O’Clock“.

Es kommt leicht ein frankophiles Gefühl auf beim Hören von Anita Lanes „Sex O‘Clock“. Das liegt vor allem an der musikalischen Machart des Albums. Denn obwohl mit Mick Harvey der männliche Part bei der Produktion stimmlich kaum in Erscheinung tritt, verbeugt sich der oft gehauchte Gesang, das angedeutet Laszive, die schwelgerische Pose, wenn auch nicht im Überschwang und kurz vorm Kippen ins Indifferente, vor dem großen Paar der französischen Musik: Jane Birkin und Serge Gainsbourg.

Unweigerlich denkt man bei Anita Lane außerdem immer an ihr Verdienst als frühe Muse und musikalische Partnerin von Nick Cave mit. Lane und Cave könnte man in einem allerdings nicht ganz fairen Vergleich auch als Birkin und Gainsbourg des Indie-Genres bezeichnen.

Cover einer Arbeiter- und Partisanenhymne

Sie sind bereits in ihrer Heimat Australien ein Paar, kennen sich von der Kunsthochschule. Caves Band The Birthday Party zieht Anfang der Achtziger nach London, trennt sich, Cave geht nach West-Berlin, formiert die Bad Seeds. Immer dabei: Lane, die Songtexte schreibt und bei den Bad Seeds Keyboard spielt.

Das Cover des Albums „Sex O'Clock“ von Anita Lane.
Das Cover des Albums „Sex O'Clock“ von Anita Lane. © Mute/EMI

Der bekannteste Song ihres zweiten Solo-Albums stammt allerdings aus Italien: die Arbeiter- und Partisanenhymne „Bella Ciao“. Selten wurde das oft gecoverte Traditional so fragil und gleichzeitig sinnlich eingesungen. Auch ihre Interpretation von Gil Scott-Herons „Home is where the Hatred is“ – das Eröffnungsstück – ist formidabel.

Nach der Trennung von Cave und den Bad Seeds bleibt Lane im Dunstkreis der Band, arbeitet mit den Einstürzenden Neubauten, Die Haut oder Barry Adamson. Solo veröffentlicht sie eine EP und zwei Alben, 1993 „Dirty Pearl“ und 2001 „Sex O’Clock“.

Auch Letzteres findet erstaunlicherweise wenig Beachtung, obwohl es gelungen orchestrierter Pop ist – von dem albernen Titel abgesehen. Der Bad-Seeds-Weggefährte Mick Harvey produziert den unaufdringlichen, einschmeichelnden Sound, der dezent viele Stile belehnt, die Kunst des Chansons integriert, Western-Streicher auffährt und über dem Lanes Stimme schwebt, ambivalent zwischen liebreizend und kratzbürstig.

Es bleibt das letzte zu Lebzeiten veröffentlichte Werk einer überschaubaren, aber einflussreichen Künstlervita. Anita Lane ist im April mit 61 Jahren in Australien gestorben.

Reinhören!

Wir haben die Playlist zum Krisen-Modus. Hören Sie unsere Auswahl an Songs für die Heimarbeit, zur Kurzweil oder für andere Ablenkungen in Selbstquarantäne.

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