Wie man etwas Gutes noch besser macht. Christian Werner über das Album „Wildflowers & all the Rest“ von Tom Petty.
Wann ist ein Kunstwerk fertig, im Sinne von abgeschlossen? Wann ist der Künstler zufrieden damit? Und kann man ein als perfekt wahrgenommenes Kunstwerk eigentlich noch verbessern? Im Fall des Albums „Wildflowers“ von Tom Petty muss man die zweite Frage mit einem klaren Ja beantworten.
Dieser Tage erscheint eine erweiterte Fassung seiner gemeinhin als Meisterwerk geltenden Platte aus dem Jahr 1994. „Wildflowers & All the Rest“ heißt der, diplomatisch formuliert, tiefstapelnde Titel des zum Doppelalbum gewachsenen Werkes mit 25 Songs. Die Veröffentlichung ist keine posthume Idee der Nachlassverwalter des vor drei Jahren zu früh verstorbenen Musikers. Petty selbst hat in seinen letzten Lebensjahren immer wieder einen Weg gesucht, doch alle Songs zugänglich zu machen.
In den Neunzigern soll es die Plattenfirma gewesen sein, die ihn zu einer Begrenzung des Materials drängte. Als „Wildflowers“ erstmals erschien, klang es bereits wie ein Klassiker, es war wie ein Sound gewordener Monolith, etwas, das bleibt. Ein Magnum Opus wäre als Beschreibung keine Untertreibung.
Weg vom Heartbreakers-Pop
Für Petty aber war die Geschichte nicht auserzählt, zeitlebens schien für ihn das Album unvollendet. Es war ein Wendepunkt in vielerlei Hinsicht: Petty hatte mit dem Produzenten Jeff Lynne ein Solo-Album („Full Moon Fever“) und eines mit den Heartbreakers („Into the great white Open“) gemacht. Beide brachten ihn in die Charts, zu MTV und zu einer neuen Generation Musikfans. Privat stand er vor den Scherben seiner ersten Ehe.
Sein neuer Produzent Rick Rubin (American Recordings von Johnny Cash) wollte weg vom
Heartbreakers-Pop, wollte einen natürlicheren Klang mit mehr Tiefe. Das Ergebnis überzeugte in allen Disziplinen: Sound, Text, Komposition, Emotion.
Die zehn „neuen“ Songs knüpfen daran nahtlos an. Einige landeten auf dem raueren, aber ebenfalls kultisch verehrten Nachfolgealbum „She’s the One“. Es gibt auch Unbekanntes wie das hypnotische „Confusion Wheel“ oder das zwischen Fröhlichkeit und Melancholie balancierende „Something could happen“.
Zu dem erweiterten Album gibt es eine expandierte Fassung mit weiteren Kostbarkeiten wie Live-Aufnahmen und Home Recordings von unveröffentlichten und bekannten Stücken. Etwa die Wohnzimmerversion von „Wake up Time“, die Petty mit brüchiger Gänsehautstimme singt.
Zur Veröffentlichung gibt es nur einen Kritikpunkt: Warum musste man so lange darauf warten?
Reinhören!
Wir haben die Playlist zum Krisen-Modus. Hören Sie unsere Auswahl an Songs für die Heimarbeit, zur Kurzweil oder für andere Ablenkungen in Selbstquarantäne. Die Titel werden mit jeder neuen Folge unserer Kolumne erweitert. Und hier erfahren Sie, warum die Songs ausgewählt wurden.