Erfurt. Auf der Höhe der Britpop-Bewegung feierte Pulp die größten Erfolge. Obwohl es sie lange vor Oasis und Co. gab. Christian Werner über das Album „Different Class“.

Die (mediale) Erfindung des Labels „Britpop“ ist für Pulp Fluch und Segen zugleich. Einerseits gehört die Gruppe um Jarvis Cocker gar nicht zur Welle aufstrebender britischer Gitarrenbands Anfang/Mitte der Neunzigerjahre: Cocker hatte Pulp bereits 1978 gegründet. Andererseits hat die Band ihre größten Erfolge auf dem Zenit der sogenannten Britpop-Bewegung.

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Nachdem sich die hochstilisierten Antipoden Oasis (Arbeiterklasse) und Blur (Bildungsschicht) im Sommer 1995 einen Schlagabtausch um Chartplätze und markige Sprüche liefern, profitieren auch Pulp (Bohemian-Image): Ihr fünftes Album „Different Class“ – aber erst das zweite bei einer großen Plattenfirma – steigt Ende des Jahres immer weiter in den Charts. Mit Songs zum Mitsingen und – zum Tanzen. Die Singles „Common People“ und „Disco 2000“ werden europaweit Hits.

Cockers Liedtexte beschreiben Alltag der britischen Klassengesellschaft

Doch „Different Class“ trifft nicht nur musikalisch einen Nerv. In den Themen, über die Cocker in kleinen Geschichten singt wie Sex, vor allem aber das Sezieren der gesellschaftlichen Verhältnisse, finden sich viele Briten mit ihren Alltagssorgen wieder. Die Aufbruchstimmung von „Cool Britannia“ mit New Labour und Tony Blair sollte noch fast zwei Jahre dauern.

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Der Albumtitel ist ein Wortspiel: Es verweist als Redewendung (in etwa: eine Klasse für sich) auf das selbstbewusste Selbstbild der Band. Aber auch auf die Situation mit Klassenzugehörigkeiten und sozialen Schieflagen. Das macht das Album auch heute wieder aktuell.

Das Cover des Albums „Different Class“ von Pulp.
Das Cover des Albums „Different Class“ von Pulp. © Island/Universal

Mit seiner Beschreibung der gesellschaftlichen Zustände im Vereinigten Königreich stehen Cocker und Pulp in einer britischen Musiktradition. Bereits Pete Townshend mit The Who und allen voran Ray Davies von The Kinks hatten sich als Dokumentare sozialer Habitate auf der Insel verdient gemacht.

Albumcover erinnert an "Sgt. Pepper" von den Beatles

Das Cover zitiert die Beatles: Die Hochzeitsfoto erinnert an „Sgt. Peppers lonely Hearts Club Band“. Im Gegensatz zu den Beatles stehen die Musiker nicht als reale Personen zwischen der Hochzeitsgesellschaft, sondern als Pappaufsteller. Übrigens: Die Vermählten sollen erst von der Verwendung des Fotos als Plattencover erfahren haben, als Plakate von dem Album kündeten.

Im Sommer 2023 gehen Pulp nach zehn Jahren wieder auf Tournee. Bassist Steve Mackey hatte von Anfang an seine Teilnahme ausgeschlossen – wegen anderer Projekte. Am 2. März ist er im Alter von 56 Jahren verstorben. „Different Class“ ist auch sein Vermächtnis.

Wir stellen in #langenichtgehört vergessene, verkannte oder einst viel gehörte Alben vor.

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