Die zweite Platte der Soft Boys floppte, wurde aber nicht vergessen – von den richtigen Leuten. Christian Werner über das Album „Underwater Moonlight“.

Die Umstände sprachen nicht gerade für einen Klassiker: Die englische Band The soft Boys hatten Ende der Siebzigerjahre nach nur einem Album bereits einige Besetzungswechsel hinter sich, aber immer noch keine große Plattenfirma. Ihr Probenraum war ein feuchter Bretterverschlag und beim zweiten Album mussten sie schlussendlich mit einem dreistelligen Betrag für die Produktionskosten auskommen.

Die vier Musiker um Frontmann Robyn Hitchcock ließen sich nicht entmutigen und steckten stattdessen Ambitionen, Leidenschaft und jugendlichen Verve in die Aufnahmen. „Underwater Moonlight“ erschien 1980 – blieb aber ein Ladenhüter. The soft Boys lösten sich im Folgejahr auf.

Wichtiges Album für andere Musiker

Die Geschichte wäre, wie so viele andere nicht wahr gewordene Pop-Märchen, an dieser Stelle eigentlich erzählt. Und doch bekam die Platte eine zweite Chance, avancierte zum Geheimtipp, den Bands wie R.E.M., The Replacements oder The Pixies als Einflüsse nennen, und gehört zu den wichtigsten Alben der Independent-Szene der Achtzigerjahre.

Das Cover des Albums „Underwater Moonlight“ von The soft Boys.
Das Cover des Albums „Underwater Moonlight“ von The soft Boys. © matador

Immer wieder wird das Album in den psychedelischen Musikgenres verortet. Die Nähe zu den verschwurbelten Kompositions- und Klangwelten eines Syd Barrett klingt an, ist aber nur eine Facette. Auch Bezüge zu Velvet Underground und Lou Reed lassen sich herstellen („I got the Hots“). Wichtiger und prägender jedoch sind die an Beatles und Beach Boys geschulten Harmonien sowie die Jingel-Jangel-Gitarren wie man sie von den Byrds kennt.

Aber auch das Schroffe, das Garagenbandhafte gehört zum Moment dieser Band. Das Eröffnungsriff von „I wanna destroy you“ hängt so schön gekonnt windschief zwischen den Notenzeilen, wie es Wilco Jahre später perfektioniert haben. (Wilcos Vorgängerband Uncle Tupelo haben den Song gecovert). Der Rest ist bester Harmonie-Rock, der immer wieder durchbricht etwa im Titelsong oder in „Positive Vibrations“.

Irrungen und Wirrungen des Erwachsenwerdens

Die Texte kreisen um die Irrungen und Wirrungen des Erwachsenwerdens, aber nicht im Sinne des Sie-liebt-mich-sie-liebt-mich-nicht-Schemas, es geht um die Ängste, Unsicherheiten und den Stress der Adoleszenz. Das ganz normale, ungeschönte Leben also.

Ein trauriger Bezug zur Gegenwart: Ex-Soft-Boys-Bassist Matthew Seligmann infizierte sich mit dem Coronavirus und starb nach Komplikationen mit einer Covid-19-Erkrankung am 17. April. Er war nach dem Ende seiner alten Band ein gefragter Musiker und spielte für David Bowie („Labyrinth“, „Absolute Beginners“, Auftritt bei Live Aid), Tori Amos oder The Waterboys.

Reinhören!

Wir haben die Playlist zum Krisen-Modus. Hören Sie unsere Auswahl an Songs für die Heimarbeit, zur Kurzweil oder für andere Ablenkungen in Selbstquarantäne. Die Titel werden mit jeder neuen Folge unserer Kolumne erweitert. Und hier erfahren Sie, warum die Songs ausgewählt wurden.

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