Wie man altersweise und frisch zugleich klingen kann. Christian Werner über das Album „La Grande“ von Laura Gibson.

In einer Zeit, als Social-Media-Kanäle Websites noch nicht ganz den Rang abgelaufen hatten, veröffentlichte Laura Gibsons täglich auf ihrer Homepage eine Fotografie. Es waren Schnappschüsse aus dem Fenster ihres Tourbusses ohne das Tourleben zu zeigen: Fotografierte Landschaften im leichten Retro-Ton. Ein unschuldiges Orte raten, Orte zeigen noch ohne die professionellen Auswüchse von Instagram und Co.

Das digitale Reise-Memory auf dem Computerbildschirm funktionierte vor acht Jahren prima, vor allem bei einer Gefühlslage von Langeweile bis Fernweh. Und Gibson hatte das passende Album für diese emotionale Bandbreite im Gepäck: „La Grande“ ist auch heute noch hemmungslos nostalgisch und unaufgeregt modern.

Die Musikerin lebte damals in der Indie-Metropole Portland in Oregon, ihre Musik wird gern unter das Siegel Alternative-Country gestellt. „La Grande“ aber ist viel, viel mehr: Der Blues ist allgegenwärtig, ebenso Folk, Americana, es gibt sogar lateinamerikanische Rhythmen.

Eine Platte, die altersweise und modern klingt

Selbst die Hollywood-Schnulze belehnt Gibson: Das Bossa-Nova-Stück „Lion/Lamb“ hätte auch Doris Day gut gestanden, handzahmer indes, mit mehr Streicherschmalz und zuckersüßem Liebreiz in der Stimme.

Das Cover des Albums „La grande“ von Laura Gibson.
Das Cover des Albums „La grande“ von Laura Gibson. © City Slang/Rough Trade

Für ihre Verhältnisse ist Laura Gibson im Jahr 2012 mit ihrem dritten Album ein offenes und irgendwie beschwingtes Werk gelungen mit Twang-Gitarren und rumpelndem Schlagwerk. „La Grande“ ist eine wundersame Platte, die zwar vordergründig altbacken und altersweise klingt, aber mit unscheinbaren Modernismen versetzt ist und mit Pop-Appeal aufwartet.

Befreundete Musiker von Calexico, der Dodos oder der Decemberists haben die Songs wie kleine Geschenke ausgestattet. Hinter jeder Ecke wartet ein anderer Stil, um entdeckt zu werden, nach jedem neuen Hören öffnet sich ein neuer Wurzelpfad der Musikgeschichte.

Gibsons brüchige Stimme, die wunderbar kauzigen Hintergrundgesänge, die oft leicht windschiefe Instrumentierung, die Low-Fi-Aufnahme, kurzum, die imperfekte Atmosphäre die diese Platte ausatmet, könnte für Mainstreampop verwöhnte Ohren etwas zu gewöhnungsbedürftig sein. Hinzu kommt die unsichere musikalische Verortung im Gibsonschen Bermudadreieck zwischen Blues, Country-Folk und Pop.

Eine Gewissheit aber bleibt: Fans der „besten“ Radiohits von vorgestern, gestern und heute werden es schwer haben mit diesem Album.

Reinhören!

Wir haben die Playlist zum Krisen-Modus. Hören Sie unsere Auswahl an Songs für die Heimarbeit, zur Kurzweil oder für andere Ablenkungen in Selbstquarantäne. Die Titel werden mit jeder neuen Folge unserer Kolumne erweitert. Und hier erfahren Sie, warum die Songs ausgewählt wurden.

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