Sein achtes Album wurde sein erfolgreichstes - und bis dahin aussagekräftigstes. Christian Werner über “Scarecrow“ von John Cougar Mellencamp.

Von wegen, der Prophet gilt nichts im eigenen Land. John Cougar Mellencamp gehört in den USA zu den Songwriter-Größen, während man sich hierzulande maximal an Songs wie „Wild Night“ (mit Me’Shell Ndegeocello) erinnern dürfte.

Dass der Musiker, der zeitweise auch als John Cougar oder John Mellencamp auftrat, diese Meriten genießt, daran hat ein Album maßgeblich Anteil: „Scarecrow“ von 1985, das erweitert sowie remixt und remastert veröffentlicht wird.

Auf einer Stufe mit Musikern wie Bruce Springsteen

Hits und ausverkaufte Tourneen hatte der Musiker aus Indiana auch vor seinem achten Album. Aber erst mit „Scarecrow“ erreicht er den Status als Musiker, der etwas zu sagen hat. Seitdem wird er in den USA in einem Atemzug mit Größen wie Bruce Springsteen genannt.

Das Album „American Fool“ von 1982 ist sein Durchbruch, quasi sein „Born to Run“ (um in der Springsteen-Analogie zu bleiben). „Scarecrow“ hingegen ist sein „Born in the USA“, sein bis heute am besten verkauftes Album.

Ähnlich wie Springsteen auf seinem Millionenseller beschwört Mellencamp musikalisch den Geist der Sechziger. Seine Band muss vor den Aufnahmen an die hundert Songs der Dekade akribisch lernen. Die Idee: Die Giganten der Vergangenheit sollen das Fundament für eigene Großtaten legen. Die Rechnung geht auf: Mellencamp schreibt für seine inspiriert aufspielende Band Ohrwürmer. „Small Town“, „Lonely Ol’ Night“ und „R.O.C.K. in den U.S.A. (A Salute to 60s Rock)“ werden Top-Ten-Hits.

Die zusätzlichen Stücke auf der zweiten CD der neuen Edition (gibt es auch als Box mit Blu-Ray und Vinyl) erklären den Effekt des verordneten Daseins als Cover-Band neu: Drei Rough Mixe und die Cover-Songs „Under the Boardwalk“, „Shama Lama Ding Dong“ oder James Browns „Cold Sweat“ sitzen auf den Punkt. Dazu gibt es B-Seiten, Demos und unbekannte Songs.

Fast noch wichtiger sind die Themen, die Mellencamp zum Sujet der Platte macht: das Zusammenspiel der Generationen (seine Großmutter lässt er ein Traditional anstimmen) und die zerplatzten Hoffnungen des amerikanischen Traums, vor allem der Landbevölkerung. Er, Willie Nelson und Neil Young gründen zu dieser Zeit „Farm Aid“. Mit den Benefizkonzerten sammeln sie Geld für Farmer in Not.

Themen, die immer noch aktuell sind. Die Auswirkungen der damals beschriebenen Entwicklung sieht man nicht nur im mittleren Westen der USA mehr denn je: wirtschaftlicher Niedergang von Regionen, soziale Verwerfungen und gesellschaftliche Spaltung.

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