Bei den üblichen Popformeln wird man auf diesem Album weniger fündig. Christian Werner über das Album „Cavale“ der Band Shrimp Boat.

Für die Musiker der heutigen Folge unserer Kolumne reichte es im ersten Versuch der Karrierephase immerhin für ein Album mit Klassikerstatus. Für eines, für das die Leute nicht Schlange standen wie auch für die vorhergehenden Alben. Das folglich keine Millionen verkaufte oder dessen Songs im Videoformat auf MTV in Heavy Rotation liefen. Obwohl es eigentlich eine gute Zeit dafür gewesen wäre. 1993 veröffentlichte die Indie-Band Shrimp Boat aus Chicago ihr letztes Album mit dem Titel „Cavale“.

Wie viele Kunstwerke ist auch dieses Album eine Art Echo-Box für Vergangenes und Zukünftiges. Man hört die kreativ-intellektuelle Verspieltheit eines Frank Zappa, die auch Steely Dan praktizierten („Blue Green Misery“), wie die am Punk geschulte Nöligkeit eines Beck („Line Song“), der im selben Jahr mit der Slackerhymne „Loser“ reüssierte.

Einflüsse des Afrobeats

Womöglich ist „Cavale“ aber etwas mehr. Mit einem Genre jedenfalls könnte es nur unzureichend beschrieben werden. Der stupid-tanzbare Pop-Rhythmus ist ihm fremd, ebenfalls die Linientreue beim Gesang.

Das Cover des Albums „Cavale“ von Shrimp Boat.
Das Cover des Albums „Cavale“ von Shrimp Boat. © rough trade

Das Eröffnungsstück „Pumpkin Lover“ verweist ohne Umschweife auf Einflüsse des Afrobeats und steht Pate für Bands wie Vampire Weekend. Allein die Melodieläufe der Gitarren in dem Song sind eine interpretatorische Meisterleistung dessen, was zwischen Rock und Jazz möglich sein kann.

Es gibt Stücke, die gesangstechnisch und kompositorisch auch den Flaming Lips gut zuständen („Free Love Overdrive“), die die Red Hot Chili Peppers entweder belehnen oder ihnen den Weg weisen („Dollar Bill“). Im Song „Creme Brûlée“ wird scheinbar jede Tonspur gegeneinander ausgespielt und zusätzlich gegen den Strich gebürstet. Man weiß gar nicht, was schiefer gestimmt ist oder intoniert wird: Gitarren, Bläser oder Stimme – und zudem verführerischer klingt.

Was nahezu alle Songs verbindet, das sind die immer wieder eingesetzten Elemente des Jazzrocks, das Brechen von Rhythmen, von Taktfolgen. Und sie verweisen auf das nächste, langlebigere Projekt. Denn das Ende der Band war der Anfang einer neuen: Die inzwischen deutlich bekannteren The Sea and Cake wurden von Sänger Sam Prekop und Schlagzeuger Eric Claridge mitgegründet.

Reinhören!

Wir haben die Playlist zum Krisen-Modus. Hören Sie unsere Auswahl an Songs für die Heimarbeit, zur Kurzweil oder für andere Ablenkungen in Selbstquarantäne.

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