Bad Langensalza. In den Turm geschaut (8,9 und 10): Ein zugewachsener Turm im Arboretum und zwei Mini-Bollwerke am Jahnplatz in Bad Langensalza

Wer im Arboretum im richtigen Winkel zum Turm auf der Nordseite steht, blickt auf eine 21 Meter hohe Kletterpflanze. Eine Seite des Turms ist von unten bis oben zugewachsen. Der Bewuchs ist es auch, der dem Gebäude den Namen Rapunzelturm verlieh. Vor allem Kinder lassen sich von der märchenhaften Stimmung inspirieren.

Rapunzel ist die fünfte Bezeichnung für den Turm. Gisela Münch schreibt in ihrem Buch über die mittelalterliche Stadtbefestigung von Bad Langensalza vom Gottesacker- oder Rähmenturm. Mitunter wurde der Turm auch einfach Pulver- oder Wachturm genannt – je nach Nutzung. Zeitweilig wurden dort Pulvervorräte der örtlichen Händler aufbewahrt.

Eingehüllt in Grün: Der Rapunzelturm.
Eingehüllt in Grün: Der Rapunzelturm. © Daniel Volkmann

Heute ist der Turm für die Öffentlichkeit nicht zugänglich. Seit Jahren beanspruchen Tauben die oberen Etagen für sich – entsprechend wüst sieht es dort aus. Der untere Teil dient den Mitarbeitern der Grünpflege als Stauraum für allerlei Gerätschaften.

An die Kämpfe während des Kapp-Putsches im März 1920 erinnert bis heute ein deutlich hervorstehende Eckstein im obersten Teil des Turmes. Dieser wurde von einer Kugel getroffen und ein Stück aus dem Mauerwerk geschoben.

Halbrunde Form mit drei Etagen auf zehn Metern

Am Jahnplatz stehen die beiden kleinsten erhaltenen Rundtürme der einstigen Stadtbefestigung Bad Langensalzas. Wer mit der Gottesackerkirche im Rücken die Holzgasse hinabblickt, erblickt schräg gegenüber den gerade mal zehn Meter hohen dreigeschossigen Turm. Vom Jahnplatz aus ist seine halbrunde Form noch besser zu sehen.

Gisela Münch schreibt in ihrem Buch, dass über die spätere Aufschüttung heute der Sockel niedriger erscheint. In jedem Geschoss sind drei Schlitzscharten vorhanden. Der Zugang ist ihren Angaben zufolge über das Obergeschoss von der Stadtseite aus möglich.

Über dem Absatzgesims befindet sich ein Kegeldach aus Krempziegeln. Die Ringmauer schließt so an, dass der Turm vorspringt. Die Stärke der ehemaligen Stadtmauer lässt sich wenige Meter weiter westlich gut erkennen. Hier wurde die Mauer durchbrochen, um Zugang von der Gottesackerkirche zum Jahnplatz zu ermöglich. 1,50 Meter dick ist die Mauer an dieser Stelle.

Die beiden Rundtürme bildeten gemeinsam mit dem benachbarten Rapunzelturm im heutigen Arboretum die nördliche Befestigung des äußeren Stadtmauerrings. Der nächste Zugang befand sich wenige Schritte weiter am ehemaligen Mühlhäuser Tor.

Turm gehört zur Familiengeschichte

Ein Abenteuer-Areal war der Rundturm vor dem Kultur- und Kongresszentrum früher für Johann Heinrich Heinz Zöller. Denn zu seiner Kindheit befand sich dort ein Spielplatz. Ein Foto zeigt den 74-Jährigen als kleinen Jungen auf einer Bank vor dem Turm. Wer darauf saß, wurde mitunter Opfer eines Streichs, weil die Kinder gern Staub aus dem zwölf Meter hohen Bauwerk herabrieseln ließen.

Heute nutzen Zöller und seine Frau Ute diesen Turm. Das Paar kaufte nach der Wende die Häuser 14, 15 und 16 in der Mühlhäuser Straße. Der Turm ist Teil des dazugehörigen Gartens. Die denkmalgeschützten Häuser wurden ausgebaut, es entstanden 18 Wohnungen, berichten die Zöllers.

Ute und Johann Heinrich Heinz Zöller sind Turmbesitzer.
Ute und Johann Heinrich Heinz Zöller sind Turmbesitzer. © Daniel Volkmann

Das Ehepaar selbst wohnt nicht dort, der Garten samt Turm ist in Obhut ihrer zwei Kinder, die ihn herrichteten. So wurde etwa der Gewölbekeller wieder überdacht, der sich unter dem Garten befindet, und einst Eisblock-Lager für den Fleischer im Haus 16 war.

Auch der Turm unterhalb der Bergkirche ist Teil der Familiengeschichte. Von 1933 bis 1936 nutzte Johann Heinrich Heinz Zöllers Vater ihn als Rohrlager. Jetzt führt sein Sohn Martin das Unternehmen in dritter Generation als Heizungs- und Klimatechnikbetrieb weiter.

Die Grafik verdeutlicht, wo an der Stadtmauer sich der Rundgang mit dem aktuellen Beitrag befindet.
Die Grafik verdeutlicht, wo an der Stadtmauer sich der Rundgang mit dem aktuellen Beitrag befindet. © Andreas Wetzel

Hintergrund zur Bad Langensalzaer Stadtmauer

Bad Langensalzas Altstadt war einst durch eine weitläufige Stadtmauer geschützt. Trotz vieler Abrisse im Laufe der Jahre sind bis heute noch weite Teile der Befestigung erhalten. Von den ehemals mehr als 30 Türmen können heute noch 16 und ein Gartenhäuschen auf der Mauer betrachtet werden.

Im Jahr 1212 erhob Kaiser Otto IV. die Dryburg mit der umgebenden Siedlung Salza zur Stadt. Damit einher ging das Recht der Stadtbewohner zum Bau einer schützenden Befestigung.

Der erste Stadtmauerring mit etwa 1,5 Kilometern Länge umschloss die Altstadt, was etwa dem Areal zwischen Erfurter Tor, Mauergasse, Lindenbühl, Bornklagengasse, Wiebeckplatz, unterer Mühlhäuser Straße, Dryburg, Jüdengasse, Kurpromenade und Erfurter Straße entspricht.

Mit dem Bau des zweiten Stadtmauerrings wurde 1356 begonnen. Die Übergänge zwischen beiden Ringen bildeten ein nicht mehr erhaltener Rundturm.

Quelle: Gisela Münch, Die mittelalterliche Stadtbefestigung von Bad Langensalza, Verlag Rockstuhl

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