Weimar. Klassik-Präsident Hellmut Seemann schildert Eindrücke und Empfindungen am Tag (vor) der Eröffnung des neuen Bauhaus-Museums in Weimar.

In einem ruhigen Moment stand uns gestern Klassik-Präsident Hellmut Seemann zum Interview parat – in einem Winkel des Cafés Kunstpause im Souterrain des Museums.

Herr Seemann, wie empfinden Sie diesen Tag?

Großes Glück, große Genugtuung. Ich bin glücklich, dass vieles so ungeheuer schön gelungen ist.

Ist es nur das letzte oder sogar das größte Werk Ihrer Amtszeit?

Ich empfinde es eher als das letzte von mir verantwortete Projekt, auch wenn es mich seit 2001 beschäftigt. Heute stehen wir in diesem Museum, aber es ist mir mitunter immer noch nicht vorstellbar, dass es trotz all der unendlichen Probleme zu einem solchen Ende kommen konnte.

Es wird kontroverse Debatten un­ter den Besuchern über die schlichte Ästhetik des Hauses geben. Wie sehen Sie das?

Vor einer Woche habe ich hier fast noch gar keine Kunst gesehen; erst zur Eröffnung kann ich entscheiden, wie mir die Ausstellung „gefällt“. Jetzt sehe ich, dass die Architektur des Hauses sich sehr interessant mit der Ausstellung verbindet, manchmal aber auch bewusst entgegengesetzt ist. Ich glaube, dass die Menschen, die Ausstellung so sehen werden, wie ich sie sehe: Es ist die schönste Werkstatt der Welt.

Vor Jahresfrist waren Sie zuversichtlich, das Budget einzuhalten. Jetzt haben Sie es doch nicht ganz geschafft.

Ich fand’s süß, was der Minister sagte: Er sei mal in Berlin tätig gewesen und finde diese Budget-Überschreitung hier als geradezu homöopathisch. Aber 4,4 Millionen Eu­ro mehr – das ist schon ein Schluck aus der Pulle. 3,6 Millionen Euro davon sind unvermeidlich den Preissteigerungen seit den ersten Berechnungen 2014 geschuldet. Es ist eine ziemlich gute Leistung un­serer Bauleute, dass es so im Rahmen geblieben ist.

Blick voraus: Wie kann das Weimarer Bauhaus-Museum sich gegenüber der Konkurrenz in Dessau und Berlin behaupten?

In Berlin entsteht mit dem Erweiterungsmuseum, das wohl 2021/’22 zu sehen sein wird, etwas ganz Großartiges. Dessau fehlt in meinen Augen das topografische Element. Ich sehe in Dessau nicht, wie das Museum mit dem Bauhaus, mit der alten Residenzkultur und dem dort sehr stark sichtbaren Erbe des Stalinismus in eine Beziehung tritt. Was die Sammlung anbelangt, hat Dessau wunderbare Dinge zu zeigen.

Wie verändert dieses Bauhaus- Museum die Klassik-Stiftung und die Stadt?

Die Klassik-Stiftung befindet sich 2019 in einem Ausnahmezustand. Wie es weitergeht, werden Sie sehen. Aber Weimar ändert sich. Die Stadt wird ein Publikum anziehen, das bisher nicht verstanden hat, dass Weimar neben der Klassik eine Stadt der Moderne ist, eine Stadt, wo man über den Streit in der Moderne wie an keinem anderen Ort angesichts der Stadttopografie streiten kann. Das finde ich so faszinierend an diesem neuen Quartier.