Weimar. Die 20. Weimarer Frühjahrstage für zeitgenössische Musik sind die letzten im alten Format. Das Festival erfindet sich neu.

Nach 20 Jahren ist auch Neue Musik nicht mehr die jüngste; doch keineswegs deshalb stellen Festival-Chef Johannes K. Hildebrandt und seine Mitstreiter vom via-nova-Verein die Weimarer Frühjahrstage für zeitgenössische Musik ein, um sich nächstes Jahr – wie Phoenix aus der Asche – in anderem Format neu zu erfinden. Etatnöte wegen schwindender Zuschüsse und allzu kurze Planungszeiträume plagen die Festivalmacher derart, dass sie fortan die Frühjahrstage nur noch an einem kompakten Pfingstwochenende ausrichten wollen.

Mit dieser Perspektive fällt der Abschied im Jubiläumsjahrgang vom 24. bis 28. April etwas leichter. Hildebrandt hat alle früheren Preisträger der Kompositionswettbewerbe gebeten, einen kurzen, klingenden Gruß zu verfassen, und so bilden diese ganz neuen Werke von Erik Janson, Lina Tonia, Gianluca Castelli, Ilias Rachaniotis, Gordon Kampe und vielen anderen ein Rückgrat des sechstägigen Programms mit fünf Konzerten. Rei Munakata kommt extra aus Japan angeflogen, um persönlich zu gratulieren. Alle Veranstaltungen finden im Kulturzentrum Mon Ami, Weimar, statt.

Das 45.000 Euro-Budget reichte gerade aus, um neben den beiden eigenen Formationen, dem Ensemble via nova und Miet+, das Ensemble Omnibus aus Usbekistan sowie das NeoQuartet aus Polen einzuladen. Am zweiten Festivalabend treten alle vier Gruppen multikulturell vereint auf; das Thema „transkulturelle Komposition“ macht einen Akzent des Festivals aus und wird in einem Podiumsgespräch u. a. mit dem Weimarer Professor Tiago de Oliveira Pinto erörtert. Dass Carin Levine, die US-amerikanische Flötistin und langjährige Freundin des Festivals, ein honorarfreies Konzert mit Miet+ spielt, ist allein dem Umstand geschuldet, dass sie einen Workshop an der Musikhochschule leitet, also ohnehin in der Stadt weilt.

Ein weiterer Konzertabend gehört den Gästen aus Usbekistan allein; sie musizieren ebenso virtuos auf abendländischen wie auf traditionellen Instrumenten aus ihrer zentralasiatischen Heimat. Hildebrandt ist schier von dem Ensemble begeistert: „Die habe ich vor zwei Jahren in Berlin gehört und vom Fleck weg nach Weimar eingeladen“, berichtet er. Ein vitaler Hauch von West-östlichem Divan zieht in die Goethestadt ein.

Hornkonzert als Herausforderung

Und dann geht’s auch schon dem Höhepunkt zu: den Preisträgerkonzerten der beiden diesjährigen Kompositionswettbewerbe. In der Kammermusik, die zum letzten Mal Spielfelder des kreativen Wettstreits bietet, hat die Jury aus einer Fülle von Beiträgen Werke von Seokmin Mun, Youngkwang Yang und Muhammad H. Javaheri vorausgewählt; die Entscheidung, wer siegt, fällt erst unmittelbar nach dem Konzert.

Dasselbe Prozedere gilt für den Orchestermusikwettbewerb, der diesmal dem Hornkonzert gewidmet ist. Auf diesem Sektor war die Beteiligung weitaus schwächer, denn „ein Blechbläserkonzert hat fast niemand in der Schublade liegen“, wie Hildebrandt mit Schmunzeln erzählt. Daher stehen den Juroren auch nur zwei Werke von Shiqi Geng und Martin Christopher Redel zur Wahl – im Konzert ergänzt um drei weitere Uraufführungen, die allesamt wie eh und je die Jenaer Philharmonie unter Leitung des Dessauer Generalmusikdirektors Markus L. Frank musiziert. Als Solist tritt Jörg Brückner, Solohornist der Münchner Philharmoniker, auf.

Am Wettbewerb für Orchesterwerke will Intendant Hildebrandt unbedingt festhalten; das sei ein Alleinstellungsmerkmal seines Festivals, argumentiert er. Dessen Jubiläum täuscht nicht über den schwachen Stand der zeitgenössischen Musik in Thüringen hinweg. Dass der via-nova-Verein seit seiner Gründung mehr als 450 Konzerte mit 600 Uraufführungen von 400 Komponisten aus 39 Ländern veranstaltet hat, wie Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) in seinem Grußwort fürs Programmbuch vorrechnet, sei am Ende doch nur ein Tropfen auf den heißen Pflasterstein gewesen, sagt Johannes Hildebrandt ein bisschen traurig.

„Wir haben in Thüringen das Problem“, klagt er, „dass keine kontinuierliche Publikumsbildung betrieben wird. Es gibt auch zu wenig Veranstaltungen mit Neuer Musik.“ Der via-nova-Verein will dem, zum Beispiel mit der Konzertreihe co|:n:|ect in der Kunsthalle Erfurt, entgegnen und – etwas kleiner, etwas später – mit den neuen Frühjahrstagen 2020.

www. via-nova-ev.de