Berlin. Der Maler Norbert Bisky kennt Zensur noch aus DDR-Zeiten. Er setzt sich vehement für Presse- und Meinungsfreiheit ein.

Im Stadtviertel Berlin-Friedrichshain, ein denkmalgeschütztes Backsteingebäude im Hinterhof. Hier hat Norbert Bisky im Heuspeicher eines ehemaligen Pferdestalls sein Atelier. Wer den Künstler, der zu den wichtigsten zeitgenössischen Malern der jüngeren Generation zählt, besuchen möchte, muss erst eine steile, dunkle Treppe überwinden. Schließlich oben angekommen, öffnet sich hinter einer feuerfesten Eingangstür der Blick ins lichterfüllte Studio. Ganz hinten, an der Stirnwand trocknet noch das Gemälde, das Norbert Bisky zum 3. Mai, dem Tag der Pressefreiheit, geschaffen hat.

Herr Bisky, Pressefreiheit ist ein großes Wort. Was bedeutet Meinungs- und Pressefreiheit für Sie persönlich?

Mir persönlich bedeutet es sehr viel, weil ich in einem Land groß geworden bin, in dem es nichts Langweiligeres gab als die Presse. Weil sie völlig gleichgeschaltet, schwarz-weiß und langweilig war und immer nur das verkündet hat, was vorher die Mächtigen schon abgesegnet haben.

Wir sprechen über die DDR?

Wir sprechen über die DDR, genau. Ist lange her, bald sind es 30 Jahre. Damals war ich Teenager und kann mich noch sehr gut daran erinnern, wie blöd und langweilig das ist. Im Moment gibt’s ja wieder Leute, die gern ein paar Pressefreiheiten abschaffen würden, wenn sie könnten – oder einfach Journalisten, die ihnen nicht passen, zum Schweigen bringen oder entlassen würden. Oder die gerne dafür sorgen würden, dass nicht genehme Meinungen nicht veröffentlicht werden. Und das ist schon eine komische Entwicklung.

Viele Künstler in Deutschland beschäftigen sich – anders als zum Beispiel in Frankreich – nicht großartig, geschweige denn öffentlich, mit dem Thema Presse- oder auch Kunstfreiheit. Gibt es Situationen, in denen Sie sagen: Hier ist Schluss, dazu muss ich mich äußern?

Das ist eine ganz komplexe, schwierige Frage, denn Kunst ist Kunst und keine Politik und keine Propaganda und keine Illustration. Das ist ganz, ganz wichtig. In meinen Jugendjahren habe ich erlebt, wie versucht wurde, Kunst zu instrumentalisieren. Wenn aber die allgemeine Freiheit eingeschränkt werden soll oder die Informationsfreiheit, dann betrifft das als Erstes immer die Künstler. Denn die Künstler sind ja diese unzuverlässigen, nicht zu beherrschenden Spinner, die irgendwas Komisches machen, was man nicht gut kontrollieren kann. Und insofern gibt’s schon Situationen, wo auch die Künstler dann reagieren: So, das interessiert mich jetzt, das interessiert mich auch politisch, und dazu möchte ich was sagen.

Als der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger Sie fragte, ob Sie wohl bereit wären, ein Motiv für uns zum 3. Mai – Internationaler Tag der Pressefreiheit – zu machen, haben Sie sofort ja gesagt. Was hat Sie dazu bewogen?

Zum einen meine persönliche Erfahrung, dass ich einfach weiß, was Pressefreiheit tatsächlich bedeutet. Weil ich es auch anders kenne. Ich bin, glaube ich, einer der wenigen, die es noch anders kennen. Zeit vergeht ja sehr schnell. Und ich habe dann gedacht: Ja, das ist eine Herausforderung. Und jetzt muss ich schauen, dass ich was mache, was dem Thema angemessen ist. Was sehr schwierig ist, weil es natürlich ein sehr hartes und ein sehr ernstes Thema ist, weil viele Leute ja tatsächlich ihr Leben lassen – nur dafür, dass sie einen kritischen Artikel geschrieben haben.

Ihr Gemälde heißt „Rauschen“. Was verbinden Sie mit dem Titel?

Der Titel lässt, denke ich, eine Menge Assoziationen offen. Zum Beispiel, dass wir alle von einem irrsinnigen Medienrauschen umgeben sind. Noch nie gab es so viele elektronische Bilder wie heute. Noch nie haben so viele Leute Fotos gemacht. Vielleicht haben sogar noch nie so viele Leute irgendwas getippt, was andere lesen können. Und es führt dennoch nicht automatisch dazu, dass alles besser wird, sondern teilweise ins genaue Gegenteil. In der Fotografie kann man zum Beispiel ganz gut sehen, dass sie gerade nicht unbedingt ihren Höhepunkt hat, obwohl so viele Leute Fotos machen. Die Bilder werden immer schneller, immer achtloser. Vielleicht betrifft das auch Texte? Keine Ahnung. Ich wollte die Situation zeigen, dass wir ein digitales Rauschen haben, ein elektronisches Rauschen, dass uns aber auch der Kopf ganz schön schwirrt von dem Zeug.

Bei Norbert Bisky denke ich immer an vor allem großformatige Bilder und leuchtende Farben. Dieses Motiv, das Sie für die Zeitungen gemacht haben, ist ja eher ein intimes Stück. Warum haben Sie sich für ein Format 50 x 40 cm und nicht für 2 x 3 Meter entschieden?

Mir ist es wichtig, der Situation angemessen etwas zu tun. Und es geht mir tatsächlich darum, auf das Thema aufmerksam zu machen und die Pressefreiheit zu unterstützen. Es geht mir nicht darum, mein Ego zu zelebrieren, das kann ich an anderer Stelle tun. Ich wollte durch das kleinere Format bewusst ein näheres Heranrücken an das Thema ermöglichen.

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Wie fängt bei Ihnen ein Bild an? Mit einer Idee, einem Inhalt, womöglich einer Farbe oder einem Klang oder einem Geschmack oder einer Skizze? Wie gehen Sie an ein neues Bild heran?

Da gibt es wahnsinnig viele unterschiedliche Situationen. Das macht auch meinen Alltag so aufregend und spannend. Oftmals ist es eine Idee, eine Notiz, eine Skizze, etwas, was ich sehe, eine Zeichnung, eine Fotografie. Das kann ganz unterschiedliche Ausgangsmöglichkeiten haben. Und dann überlege ich mir, ein Thema zu behandeln – und dann fange ich an, meistens oben links, und höre unten rechts auf. Und dann kommt es ganz anders, als ich es mir vorgestellt habe.

Ihre Bilder sprühen von Farbe. Haben Sie schon mal nur in schwarz und weiß gemalt?

Ja. Ich habe schwarz-weiß gemalt, so die ersten beiden Semester an der Kunstakademie. Da wollte ich komischerweise besonders seriös erscheinen. Das habe ich seither aufgegeben. Und es hat auch eine ganz persönliche Dimension für mich, weil ich ja in der relativ grauen DDR groß geworden bin und sehr viel von schwarz-weißen Bildern umgeben war. Viel Grafik. Für mich sind Farben ein Zeichen von Lebendigkeit, von Leben und Energie. Deshalb spielen Farben für mich eine ganz zentrale Rolle in dem, was ich tue.

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Sie haben hier in Berlin bei Georg Baselitz studiert. Mittlerweile sind Sie selbst Lehrer, haben in Genf unterrichtet und zuletzt drei Jahre in Braunschweig. Haben sich die Studierenden seit damals verändert? Welche Interessen verbinden heute junge Menschen mit der Malerei?

Das Schöne ist, es verändert sich die ganze Zeit. Es wäre ja komisch, wenn in den 90er-Jahren die gleiche Stimmung geherrscht hätte wie heute. In den 90ern gab es eine sehr positive Aufbruchstimmung. Eine sehr unpolitische Atmosphäre, so habe ich das empfunden, weil der Kalte Krieg zu Ende zu sein schien – Friede, Freude, Eierkuchen war das Motto der Love Parade.

Bei den Studenten, den jungen Menschen, die ich jetzt erlebe, gibt es doch ein sehr, sehr akzentuiertes Bewusstsein für die Probleme, in denen wir eigentlich alle stecken. Und den Willen, das auch anzugreifen und anzufassen. Also nicht nur die individuelle Perspektive einzunehmen, sondern auch zu sagen: hey, was ihr da mit den Tieren, mit der Natur macht, ist nicht in Ordnung! Was ihr da mit den anderen Menschen macht, ist nicht in Ordnung! Das ist nach meinem Eindruck eine sehr bewusste, sehr wache Generation, die da gerade heranwächst.

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