Arnstadt. Mit einer Ausstellung zum Thema „Weiß“ will der Fotograf Jan Kobel den berühmten Quader beleben. Wohnungen und Büros sollen folgen.

Mit Presslufthammer und Betonfräse setzt Jan Kobel derzeit seine Visionen vom neuen Leben im ehemaligen Arnstädter Milchhof um. Der Fotograf und die Kulturmanagerin Judith Rüber sind fasziniert vom Charme des schlichten wie beeindruckenden Gebäudes und haben für die verfallene Ruine schon große Pläne: Ausstellungen internationaler Galeristen und Diskussionsrunden sollen in den hinteren Räumen stattfinden, private Veranstaltungen wie Hochzeiten und Geburtstage oder auch Tagungen mit bis zu 200 Leuten in den vorderen.

Im Keller sollen junge Musiker proben und arbeiten können, während in den oberen Etagen in Büros gearbeitet und in hochwertigen Wohnungen (alle mit Dachterrasse) über den Dächern von Arnstadt gelebt wird.

Dass sich alles miteinander vermischt, ist Teil des Konzepts. „Die Feiernden können gleichzeitig Kunst konsumieren, die Künstler haben dadurch ihr Publikum“, erklärt Kobel das Geben und Nehmen. Finanziert vom Land Thüringen und überwacht von den Denkmalschützern setzen Kobel und Rüber ihre Pläne um.

Während die Bauarbeiter unerschrocken gegen Beton und Staub kämpfen und Wände und Decken abtragen, schwärmt Jan Kobel vom Charme des kubistischen Gemäuers mit den verwinkelten Fluren und Ecken, den vielen Durchreichen und inneren Fenstern und sieht den belebten Milchhof schon ganz deutlich vor sich. „Der Milchhof zeigt, dass die Moderne kein Bauhaus benötigte, um revolutionäre, funktionale und soziale Architektur zu schaffen“, so der Fotograf. Dass die neuen Pläne für den legendären Bau keine Luftnummern sind, wird spätestens bei dem Blick in den Terminkalender deutlich: Mehrere Veranstaltungen sind schon fest geplant. Den Auftakt macht die Ausstellung „Weiß. Nullpunkt der Moderne“, die am 23. Mai um 18 Uhr mit einer Vernissage eröffnet werden soll. Die bunt besprühten Fliesenwände der ehemaligen Werksräume werden dabei ebenso unveränderte Kulisse sein wie die unfertigen Wände. Bis dahin ist aber noch unfassbar vieles zu tun, denn im Inneren ist der Milchhof eine einzige Ruine mit vielen Baustellen. So sollen etwa nachträglich eingebaute Fußböden und Wände wieder entfernt werden, sich das riesige Flachdach in eine einladende Terrasse verwandeln. Doch erstes Ziel ist das Abdichten, so Jan Kobel, „damit es nicht mehr vorn hereinregnet und hinten durchzieht“. Das Besondere an den geplanten Ausstellungsräumen sind die gläsernen Lichtschächte, die die Räume mit ganz viel Licht erfüllen – und derzeit mühsam restauriert werden. Einen Zeitplan für all die Ideen gibts es nicht, „wir machen, so schnell wir können.“

Dass die Eröffnungsausstellung den Titel „Weiß“ trägt, ist natürlich kein Zufall, erklärt Jan Kobel. „Die Farbe Weiß steht ja auch für Neuanfang, wie ein weißes Blatt Papier.“ Neun Künstler aus Deutschland, aber auch aus London, dem rumänischen Sibiu und Palmerston aus Neuseeland werden dabei ihre Arbeiten zeigen. Es geht aber auch um die „Industrialisierung der Baukultur“. Was Kobel damit meint, zeigt er auf dem Dach.

Die weithin sichtbare Ziegelfront ist gar nicht rot, wie es scheint, sondern ein quirliges Mosaik aus Farben und Formen. Einige Ziegel sind groß und breit, andere schmal oder quadratisch. Einige sind dunkel- oder hellrot, andere gar bläulich, grünlich oder schwarz. So wirkt die Wand aus der Nähe faszinierend, lebendig. Man kann sie lange betrachten, ohne dass es langweilig wird. „Kein Stein ist wie der andere, jeder ein Unikat“, so Kobel. „Mit den heutigen Ziegeln aus dem Baumarkt wäre die Wand einfach nur langweilig.“ Das ist sicher: Langweilig wird es im Milchhof nicht.

Weitere Infos, Termine und Fotos im Internet unter www.milchhof-arnstadt.de