Erfurt. Seit fünf Jahren gibt es die Thüringer Diary Slams. Mit dem Einzug des Literaturvereins Erfurter Herbstlese ins Kulturhaus Dacheröden haben sie eine neue Heimat gefunden. Drei Kandidaten im Alter von eher jung bis reif fassen sich ein Herz.

Die Autoren beim 5. Diary Slam am vergangenen Freitagabend im Erfurter Kulturhaus Dacheröden haben nur Vornamen und bekommen jede Menge Vorschusslorbeeren. Quasi als Begrüßung lässt Moderator und Slam-Poet Flemming Witt das überwiegend junge Publikum den Beifall üben, der später für die Abstimmung über den besten Vortrag gebraucht wird - von „gut gemacht“ (ein Punkt) bis „überirdisch umwerfend“ (zehn Punkte). Nach dem frenetischen Einstieg kann eigentlich schon nichts mehr schief gehen.

Seit fünf Jahren gibt es die Thüringer Diary Slams. Mit dem Einzug des Literaturvereins Erfurter Herbstlese ins Kulturhaus Dacheröden haben sie eine neue Heimat gefunden. Der Wettbewerb läuft ähnlich ab wie ein Poetry Slam: In vorgegebenem Zeitrahmen lesen Autoren eigene Texte. Besonderheit der Diary-Variante: Es sollten Tagebuchaufzeichnungen sein, die zum Vortrag kommen.

Drei Kandidaten im Alter von eher jung bis reif fassen sich ein Herz. Robert aus Jena - der, wie er gesteht, eigentlich aus Gera kommt - war schon beim ersten Diary Slam dabei. Mitgebracht hat er sein „Märchenbuch“ mit durchaus fantasievollen Tagträumen aus Kindertagen. Darin wimmelt es von Zauberern, Königinnen und Königen oder merkwürdigen Menschen, die eigenartige Dinge tun. Der Großvater habe seinerzeit an Regen-Sonntagen für ihn aufgeschrieben, was er ihm diktierte, erzählt der junge Mann. Mit knapp 70 Lenzen ist Ella die Älteste im kleinen Autorenreigen. Und am nahesten dran am Tagebuchthema. Ihre Erlebnisse und Eindrücke halte sie - mit Unterbrechungen - seit früher Kindheit fest, verrät sie. Auch sie hat schon Slammer-Erfahrungen. Das macht mutig. Ellas Texte sind die persönlichsten - und frivolsten an diesem Abend. Ihre kleine Fantasie-Liebesgeschichte mit einem Mann - „der vom Alter her mein Enkel sein könnte, wie abartig ist das denn?“ - treibt den Applaus auf der Punkteskala weit nach oben.

Schließlich Julia. Die Erfurterin hat wohl die meiste Erfahrung mit dem Schreiben, wofür auch das mitgebrachte Buch spricht. Ihre Art des Tagebuchschreibens ist eine literarische Reise ins Ich. „Meine Gedanken gehen tauchen“, heißt es unter anderem in der Verarbeitung eines Telefongespräches mit der Großmutter. Mit Sätzen wie „Omas Stimme ist bewohnbar, Opas Schweigen nicht...“ Im zweiten Text trifft die erwachsene auf die siebenjährige Julia, wobei sich die Jüngere wundert, was die Ältere alles vergessen hat.

Auch nach der zweiten Leserunde bleibt der 5. Diary Slam ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Der ebenso launige wie erfahrene Moderator muss tief in die Slammer-Trickkiste greifen. Erst nach „Schinken-Applaus“ (wer bekommt die lautesten Schinken-Rufe?) und „Powerapplaus“ (zwei Sekunden Beifall mit abruptem Ende) steht schließlich Robert als knapper Sieger fest.