Wartburgkreis. 41 Länder sind beim 64. Eurovision Song Contest in Tel Aviv vertreten und hoffen am Samstag auf den Sieg.

Nach dem Sieg der fabelhaften und schrillen Israelin Netta in Lissabon 2018 und nach einigem Gezerre um einen Austragungsort in Israel für den 64. Eurovision Song Contest (ESC) findet dieser letztlich im liberalen, quirligen Tel Aviv statt, jener „Stadt, die niemals schläft“, der Partyhochburg am Mittelmeer.

War es 1979 und 1999 noch problemlos, den ESC an die religiösen Gegebenheiten, hauptsächlich den Sabbat, anzupassen und heimlich hinter verschlossenen Türen zu proben, ist das 2019 unmöglich. Dies dürfte auch der Hauptgrund sein, dass der Wettbewerb trotz anderer Bestrebungen der Staatsführung nicht nach Jerusalem, sondern ins weltliche Tel Aviv vergeben wurde, in eine der tolerantesten Städte der Welt.

41 Länder stellen sich dem Wettbewerb unter dem Motto „Dare to dream“. Musikalisch ist die Bandbreite immens. So kommen aus Zypern fluffige Dance-Beats, allerdings mit einem der allzu tiefen Gedankenschwere abholdem Text. Aserbaidschan überrascht einmal mehr durch einen zeitgemäßen Sound mit allenfalls homöopathisch eingesetzten orientalisch anmutenden Verzierungen.

Spanien schickt ein großes fröhlich-lautes Humptata, aus Schweden kommt der übliche durchgestylte Pop von einem smarten Burschen, den ein dralles, stimmstarken Damen-Quartett als Gospelchor stimmstarken Sängerinnen, begleitet. Ein 18-jähriges Mädel aus Malta hat einen farblosen Plastikpopsong zu verkaufen. Verbunden mit einer hochenergetischen Show, die durchaus Kurzweil fürs Auge bietet.

Schwarz scheint in diesem Jahr besonders schick zu sein, denn die meisten Interpreten halten sich an den Dresscode und zeigen sich in dunklen Klamotten. Für Australien startet eine Operndiva mit einem sehr verzichtbaren Königinnen-der- Nacht-Geträller. Norwegen bietet ein löbliches samisches Volksliederpotpourri samt Bühnenexplosion und Moldau eine Eurovisionsballade mit Tausendmalgehörtheit.

Die Miniaturrepublik San Marino ist vertreten mit einem durch und durch schamlosen, süffigen 70er-Jahre-Discoschlager mit unwiderstehlichem Ohrwurmrefrain, dessen Textverarbeitung offensichtlich in liebevoller Zusammenarbeit mit den Drittklässlern der Grundschule San Marinos erfolgte.

Island veranstaltet viel Lärm um nichts mit einem brutalstmöglichen Angriff auf die Gehörnerven Europas und einem vollständigen Verzicht auf eine als solche wahrnehmbare Melodie – ein akustisches Storno. Und die dänische Sängerin hat das unerträgliche „Lemon Tree“ der Pforzheimer Kapelle „Fools Garden“ einfach geklaut, umgetextet und verbreitet ihre lyrischen Plattitüden gleich in vier Sprachen, was das Ganze auch nicht besser macht.

Zu guter letzt ist Israels Heimbeitrag ein verzweifelter Versuch der ausrichtenden Fernsehanstalt, einen erneuten Doppelsieg wie 1978/79 angesichts klammer Kassen mit aller Macht zu verhindern. Es dürfte mit sehr großer Sicherheit gelingen.

Musikalisch glanzvolle Höhepunkte hingegen bieten die Niederlande, Italien, Frankreich und mit einem Latino-Sommerhit die Schweiz, vorgetragen vom DSDS-Sieger 2012 Luca Hänni. Und Ungarn, welches eine hochgradig ergreifende Schmerzensballade zum Geschehen beisteuert, stellt unter Beweis dass man des Ungarischen nicht mächtig sein muss, um die Intention des Künstlers zu verstehen, die direkt das Herz berühren kann.

Donnerstag, 16.Mai, 21 Uhr, 2. Halbfinale, Samstag, 18.Mai, 20:15 Uhr, Finale/ Grand Prix PartyJens Rudloff und Florian Meyer berichten seit Jahren für unsere Zeitung vom ESC. Sie wohnen in Herleshausen (Hessen), haben aber noch viele Bezüge zu ihrem früheren Heimatort Lauchröden.