Erfurt. Wolfgang Niedecken hat den 78-jährigen Bob Dylan beim diesjährigen Tourauftakt erlebt. Er kennt den Songwriter von früheren Begegnungen.

Wolfgang Niedecken, Frontmann von BAP, kennt Bob Dylan seit Jahrzehnten. Wir sprachen mit ihm über die Songwriter-Legende, die am 9. Juli in Erfurt Station macht.

Bob Dylan tourt wieder durch Deutschland. Du hast sein erstes Konzert in Düsseldorf besucht. Wie war es?

Es war eines der besten, das ich in den letzten 20 Jahren gesehen habe. 1978 hat er das erste Mal in Deutschland gespielt, da hab ich ihn in Dortmund erlebt und seitdem bei jeder seiner Deutschland-Touren. Ich war jetzt in Düsseldorf sehr angenehm überrascht, dass kein einziger Song seiner Sinatra-Alben dabei war. Stattdessen war über die Hälfte der Songs aus seinem sogenannten Spätwerk, das ja mit „Time out of mind“ anfängt. Das ist die Kunst: Ein Programm so zu machen, dass für jeden etwas dabei ist. Ich würde mich langweilen, wenn ich immer nur die gleiche Setliste hören würde, wie das zum Beispiel bei den Stones ist. Diesmal hat Dylan das fantastisch gelöst. Er wird natürlich immer älter. Er hat sich meist hinter seinem Flügel verschanzt, nur bei einem Song hat er gestanden. Aber die Menschen waren ganz beseelt.

Wie oft hast du ihn getroffen?

Zweimal. Einmal mit Wim Wenders in Köln. Mit Wenders hatte ich 2002 in Köln gedreht für den BAP-Film. Wenders und Dylan kennen sich. Wim war verheiratet mit Ronee Blakley, die bei der Rolling Thunder Review mitgesungen hat. Dylan mag Wenders’ Filme, das war gegenseitige Wertschätzung, und wahrscheinlich haben die auch gemeinsam einiges erlebt. Wir waren alle bei dem Konzert in Köln. Nachher haben wir zusammen gesessen, und das war ein ganz herzliches Zusammentreffen. Dylan ist sehr wissbegierig. Er hatte am nächsten Tag einen Auftritt in Berlin und wollte von Wim ganz viel über Preußen und die Könige wissen. Er ist wie ein Privatgelehrter, der unterwegs immer checkt, und das fließt alles in seine Texte ein.

Ist das Besondere an Dylan diese nicht endende Neugierde? Ist das die eigentliche Never Ending Tour?

Ja, es ist ein bisschen wie never ending Neugierde. Es gibt ja bei Dylan eine spürbare Midlife Crisis, während der er nicht mehr richtig wusste, wo er hin wollte, wo er üble Alben gemacht hat. Da hab ich schon versucht, mir Sachen schön zu hören – und habe es nicht immer geschafft. Auch die Auftritte waren zum Teil unterirdisch. Sehr verschenkt war die Temples and Flames-Tour mit Tom Petty und den Heartbreakers. Die fing in Neuseeland großartig an, und dann kamen die nach Europa und da muss irgendwas passiert sein. Die Auftritte von Dylan waren eine reine Katastrophe.

Hat es Dich nie gereizt, auch ein Buch über Dylan zu machen?

Es gibt Verlage, die würde es reizen, wenn ich das tun würde, und ich habe gerade wieder ein Angebot bekommen. Aber ich bin im Moment dabei, Songs zu schreiben, und wir spielen die Tournee diesen Sommer.