Berlin (dpa/tmn). Immer noch müssen Bombenentschärfer ausrücken, um Sprengkörper aus dem Zweiten Weltkrieg unschädlich zu machen. Ein hochgefährlicher Job, für den es viel Fachkunde braucht - und starke Nerven.

Bomben, Minen, Handgranaten, Munition und noch einiges mehr: Auch fast 80 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs werden immer wieder Kampfmittel von damals gefunden - bei Bauarbeiten, bei Spaziergängen durch die Natur oder beim Buddeln im Garten. Es gibt also nach wie vor genug zu tun für Bombenentschärfer.

Einer von ihnen ist Dietmar Püpke, Polizeihauptkommissar und Polizeifeuerwerker beim Kampfmittelräumdienst der Abteilung Kriminaltechnik des Landeskriminalamts Berlin. Im Jobprotokoll erzählt er, weshalb sein Beruf auch körperlich fordernd ist - und warum es ohne Gelassenheit nicht geht.

Der Weg in den Beruf

Schon als kleiner Junge habe ich mich brennend für Kampfmittel interessiert, es fing bereits im Kindergarten an. Damals machten wir Kinder mit unserer Erzieherin einen Spaziergang über Felder. Plötzlich war die Erzieherin wegen eines auf dem Boden liegenden metallischen Gegenstandes völlig verschreckt und führte uns schnell weg.

Sie machte aber ein großes Geheimnis daraus, was der Grund für ihr Verhalten war. Damit war meine Neugierde geweckt. Später stellte sich heraus, dass der metallische Gegenstand eine Panzerfaust aus dem Zweiten Weltkrieg war.

Jahre später ging ich mit meinen Eltern in militärhistorische Museen, aber sobald es um Kampfmittel ging, wollten sie mit mir schnell einen Bogen um alles machen. Das steigerte mein Interesse. Ich setzte mich mit der Materie immer intensiver auseinander. Eines Tages entschloss ich mich, mein Hobby zum Beruf zu machen und Bombenentschärfer zu werden.

Die Ausbildung

Nach der Schule absolvierte ich in Berlin eine Ausbildung als Anlagenbauer. Mit knapp 20 trat ich in den Polizeidienst ein, heute bin ich Polizeihauptkommissar. Mein Ziel als Bombenentschärfer zu arbeiten, habe ich aber nie aus den Augen verloren.

Bei der Berliner Polizei kann man sich allerdings erst mit Anfang bis Mitte 30 für eine Ausbildung im Kampfmittelräumdienst bewerben. Das tat ich nach einer Hospitation und wurde genommen. Innerhalb von rund drei Jahren habe ich 18 Lehrgänge besucht, die jeweils mit Prüfungen endeten. Inzwischen bin ich seit mehr als 20 Jahren als Bombenentschärfer tätig.

Wie viele Bomben ich bislang in meinem Berufsleben entschärft habe, kann ich nicht sagen. Irgendwann habe ich aufgehört zu zählen. Aber ich erinnere mich noch an meinen 39. Geburtstag: An dem Tag allein habe ich sechs Bomben unschädlich gemacht.

Der Arbeitsalltag

Mein regulärer Tagesdienst beginnt um 7.30 Uhr, meine reguläre Dienstzeit beträgt acht Stunden. Meine Dienststelle erhält im Schnitt drei bis vier Anrufe pro Tag, bei denen die Anrufenden den Verdacht äußern, ein Kampfmittel entdeckt zu haben, weil sie in irgendeiner Form unerwartet auf ein Stück Eisen gestoßen sind.

Wir fahren dann im Team zum angegebenen Ort. Das erfolgt zumeist sehr schnell, denn von dem Fundstück könnte ja eine große Gefahr ausgehen, die abzuwenden ist. Vor Ort gucken wir uns das Gefundene genau an, legen es gegebenenfalls frei und machen es entweder direkt unschädlich, weil ein Transport viel zu gefährlich wäre, oder bringen es zum Sprengplatz Berlin-Grunewald, wo es fachgerecht vernichtet wird.

Was wichtig ist: Niemals allein, immer mindestens zu zweit vor Ort sein. Einer arbeitet, der andere sichert. Das Räumen von Kampfmitteln ist oftmals körperlich sehr harte und schmutzige Arbeit. Fundstücke wie etwa Fliegerbomben liegen häufig in einem Kabelgraben im Erdreich, sind teils tonnenschwer und stark mit Rost und Erde verkrustet. Sie müssen mit Bagger und Schaufel freigelegt werden.

Die gefährlichen Seiten der Arbeit

Viel Umsicht ist das A und O, weil Blindgänger auch explodieren könnten. Sobald das Fundstück freigelegt ist, müssen wir ausloten, ob das Fundstück einen Zündmechanismus hat, welchen und wie er aufgebaut ist. Neben Aufschlagzündern gibt es chemisch-mechanische Langzeitzünder, beide sind alles andere als harmlos. Und: Kampfmittel verlieren im Laufe der Zeit nicht an Gefährlichkeit, im Gegenteil.

Aber das alles bringt mich bei meiner täglichen Arbeit nicht aus dem Konzept. Es ist bei uns im Kampfmittelräumdienst eine gewisse Grundsicherheit da, weil wir alle bestens geschult sind, viel Fachkunde in Sachen Sprengkörper besitzen und wir alle einen breiten Erfahrungsschatz haben.

Worauf es bei der Arbeit ankommt

In brenzligen Situationen ist höchste Konzentration auf die Sache gefragt, meine Umgebung blende ich in dem Moment komplett aus. Ohne eine gewisse Grundgelassenheit bei der Arbeit geht es definitiv nicht. Wenn ein Entschärfer in einer brenzligen Situation jedes Mal denken würde, „Oh, was könnte passieren, wie geht es jetzt mit meiner Familie weiter?“, wäre er für den Beruf definitiv ungeeignet.

Brenzlig wird es übrigens in dem Moment, in dem der Zünder herausgedreht wird - weil er im ungünstigsten Fall explodieren könnte. Und selbst wenn der Zünder herausgedreht ist, ist die Gefahr nicht vorbei, schließlich kann er immer noch detonieren. Dann muss der Zünder kontrolliert gesprengt werden. Und dann geht es noch darum, Sprengstoff, Munition und chemische Kampfstoffe zu vernichten. Dies erfolgt zumeist auf dem Sprengplatz.

Welche Nachteile mein Beruf hat

Meine Dienststelle ist mit 20 Mitarbeitern vergleichsweise klein. Wir müssen quasi rund um die Uhr einsatzbereit sein. Denn wenn der Verdacht besteht, dass irgendwo ein Kampfmittel liegt, heißt es: schnell sein.

Es passiert, dass schon mal die Pläne fürs Zusammensein mit der Familie am Samstagabend über den Haufen geworfen werden, wenn das Diensthandy, das ich immer bei mir führe, klingelt und ich zu einem Fundort gerufen werde. Damit muss vor allem der Ehepartner oder die Ehepartnerin klarkommen.