Erfurt. An den Erfurter Hochschulen herrscht Katerstimmung. Im Dezember haben die Studenten per Urabstimmung das Semesterticket zum 1. April abgeschafft. Jetzt wollen sie es zurückhaben, doch stehen sie dabei vor bürokratischen Hürden. Wie sie zu überwinden wären, weiß niemand.

Der Studentenrat der Uni war am Mittwoch den ganzen Tag über damit beschäftigt, Unterschriften abzugleichen. Sie stammen von einer Petition, die sich für eine neue Urabstimmung einsetzt. Damit soll die Urabstimmung vom Dezember außer Kraft gesetzt werden, mit der sich die Studenten gegen das Semesterticket entschieden hatten.

Rund 13 Prozent hatten sich damals beteiligt. Rund 55 Prozent von ihnen stimmten für die Abschaffung. Und auch von dieser kleinen Menge wusste nicht jeder, über was er da abstimmte.

Die Frage lautete: "Stimmst du einer Erhöhung des Evag-Semestertickets um 2,86 Euro auf einen Gesamtbetrag von dann 78,30 Euro pro Semester zu, sofern eine Preisbindung bis zum Wintersemester 2015/2016 erfolgt?" Erst im Kleingedruckten war zu lesen, dass bei einem "Nein" das ganze Ticket auf der Kippe stand. Der Studentenrat hatte Flyer verteilt, Plakate geklebt und zu Info-Abenden geladen, damit aber nur einen Teil der Stimmberechtigten erreicht.

47 Cent mehr im Monat waren der Auslöser

An der Fachhochschule (FH) lag die Wahlbeteiligung minimal höher. Das Ergebnis war noch ein bisschen knapper. Am Ende stimmten nur rund sieben Prozent aller Erfurter Studenten gegen eine Preiserhöhung.

Der Verwaltungsrat des Studentenwerkes Thüringen folgte traditionell dem Votum der Urabstimmungen. Da die Evag bei der Preiserhöhung keinen Verhandlungsspielraum sah, kündigte das Studentenwerk auftragsgemäß das günstige Ticket.

Auf den Monat umgerechnet, entsprechen die 2,80 Euro einer Erhöhung um 47 Cent. "Es ging uns nicht um die 2,80 Euro", betont Konstantin Macher, Vorstand im Studentenrat der Uni. "In den letzten neun Jahren ist der Ticketpreis um 70 Prozent erhöht worden." Auch Björn Schröter vom Studentenrat der Fachhochschule legt Wert auf diesen Aspekt.

Gegen die wiederholten Preissteigerungen wollten die Studentenräte ein Zeichen setzen. Doch statt die Evag zum Einlenken zu bewegen oder bei der Stadt Hilfe zu erlangen, schossen sie über das Ziel hinaus.

Die Konsequenzen waren ihnen durchaus bewusst. Die Proteste von Studenten im Internet, bei der Evag und auch bei den Studentenräten selbst zeigen aber nun, dass die gewählten Vertreter daran scheiterten, die möglichen Folgen auch klar zu benennen.

Demokratischer Prozess lässt sich nicht aufhalten

"Wir sind weiterhin an einem Solidarticket zu sozial verträglichen Preisen interessiert", sagt Macher. "Wir sind als Studierendenrat nicht gegen das Ticket", meint Schröter. Doch liegt das Kind nun im Brunnen - und ist der Brunnen ziemlich tief.

Denn der einmal in Gang gesetzte Prozess kann nur auf ähnlich demokratische Weise umgekehrt werden. An der Uni sollte nach der Auswertung der Petition gestern Abend über eine neue Urabstimmung entschieden werden. Ähnliche Überlegungen gibt es an der FH.

Frühestens übernächste Woche könnten die Urabstimmungen erfolgen, verweist Macher auf gesetzliche Fristen.

Dies wäre noch rechtzeitig für die nächste Verwaltungsratssitzung im Studentenwerk. Sie findet am 27. Januar statt und damit wenige Tage vor dem 31. Januar. Bis zu diesem Tag, heißt es von der Evag, könne die Kündigung zurückgenommen werden.

Doch hat die Einschreibungsfrist für das Sommersemester bereits begonnen. Sie endet mit dem Januar - im Verlauf dieses Monats werden also die neuen Studentenausweise ausgegeben. Die Gebühr wird ohne Evag- und Verbundticket berechnet - die Ausweise sind für Fahrten im Erfurter Nahverkehr ungültig.

Da niemand das Ergebnis einer möglichen neuen Urabstimmung vorhersehen kann, herrscht eine allgemeine Handlungsstarre. Das Studentenwerk wartet ab, die Uni verweist darauf, dass sie beim Ausstellen der Studentenausweise nur Dienstleister ist. Und auch die Evag hat keine Idee, wie das Dilemma zu lösen ist. Das Ticket gesondert zu verkaufen, würde bedeuten, das Solidarprinzip außer Kraft zu setzen - die Kalkulation würde nicht stimmen.

Die günstigste Alternative ist die Schüler-Azubi-Karte, die im Monat 41 Euro, per Abo 36,60 Euro kostet - rund drei Mal so viel wie das Semesterticket.

Der Stimmung auf dem Uni-Campus nach zu urteilen, glauben viele Studenten daran, dass das Problem noch irgendwie gelöst wird. Andere bauen auf die Witterung im Sommersemester und auf die Alternative Fahrrad.

"Es ist unser Ziel, wenn nicht im Sommersemester, dann spätestens zum Wintersemester wieder ein Ticket zu haben", sagt Konstantin Macher.

Erfurter Studenten streiten über Semester-Ticket