Halle/Magdeburg. Wer eine gute Arbeit finden will, muss in der Regel die deutsche Sprache beherrschen und Qualifikationen mitbringen. Neue Zahlen der Arbeitsverwaltung zeigen, dass das für viele Geflüchtete schwierig bleibt.

Bei der Integration von Geflüchteten auf dem Arbeitsmarkt in Sachsen-Anhalt bleibt noch viel zu tun. Zwar hätten zunehmend mehr Menschen aus den acht wichtigsten Asylherkunftsländern einen sozialversicherungspflichtigen Job, gleichzeitig sei aber auch die Zahl der registrierten Erwerbslosen aus dieser Gruppe gestiegen, teilte die Regionaldirektion Sachsen-Anhalt-Thüringen am Mittwoch in Halle mit. Im Fokus stehen Geflüchtete aus Afghanistan, Eritrea, Irak, Iran, Nigeria, Pakistan, Somalia und Syrien.

Im September 2018 seien gut 4600 Menschen aus diesen Ländern sozialversicherungspflichtig beschäftigt gewesen in Sachsen-Anhalt, hieß es. Im September 2015 seien es noch 648 gewesen. Dank des aufnahmefähigen Arbeitsmarkts hätten auch Menschen mit Sprachdefiziten und unklarer Qualifikation eine Chance gehabt.

Jeder dritte beschäftigte Flüchtling ist jünger als 25 Jahre

Die Zahlen zeigten: mehr als 56 Prozent der Geflüchteten aus den acht Ländern seien in Helfer-Jobs untergekommen. Ein Viertel der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten seien Zeitarbeiter. Der Chef der Regionaldirektion, Kay Senius, wies darauf hin, dass jeder dritte beschäftigte Flüchtling jünger als 25 Jahre ist und damit eine gute Entwicklungsperspektive als Fachkraft habe.

Unterdessen sind aber auch mehr Geflüchtete arbeitslos gemeldet. Im Mai seien es landesweit knapp 5300 Menschen aus den Asylzuzugsländern gewesen. Das seien rund 440 mehr als ein Jahr zuvor. „Der Stau bei den Asylverfahren ist mittlerweile abgearbeitet. Viele Menschen haben jetzt einen Aufenthaltsstatus und werden deshalb in unserer Statistik registriert“, erklärte Senius. Für viele Geflüchtete gehe es jetzt um das Erlernen der deutschen Sprache und die Weiterqualifizierung, um in Arbeit und Ausbildung zu kommen. Die Arbeitsagenturen und Jobcenter hätten etwa im Februar mehr als 1800 Geflüchtete mit Maßnahmen bei dem Weg in den Arbeitsmarkt begleitet.

Sachsen-Anhalts Ministerin für Arbeit, Soziales und Integration, Petra Grimm-Benne (SPD), erklärte: „Um möglichst nachhaltige Integrationserfolge zu gewährleisten, sollten Angebote ausgebaut werden, um die geflüchteten Menschen ebenso wie die Unternehmen des Landes individuell und längerfristig zu unterstützen - auch nach Abschluss eines Ausbildungs- oder Arbeitsvertrags.“ Angesichts der zunehmenden Schwierigkeiten der Unternehmen im Land, freie Ausbildungs- und Arbeitsstellen zu besetzen, seien die zugewanderten Menschen ein wichtiges Potenzial.

Noch nie so viele Flüchtlinge und Vertriebene weltweit

Weltweit gibt es so viele Flüchtlinge und Vertriebene wie nie zuvor in der fast 70-jährigen Geschichte des UN-Flüchtlingshilfswerks (UNHCR). Ende vergangenen Jahres lebten 70,8 Millionen Menschen fern ihrer Heimat, die vor Gewalt, Konflikten, Verfolgung oder Menschenrechtsverletzungen geflohen waren, wie die Organisation am Mittwoch in Genf berichtete. Ein Jahr zuvor hatte das UNHCR die Gesamtzahl noch auf 68,5 Millionen Menschen geschätzt.

Großes Lob spendete der UN-Hochkommissar für Flüchtlinge, Filippo Grandi, der Bundesrepublik: „Deutschland ist ein Modell, das andere Länder kopieren sollten“, sagte er. „Das Land hat Geld in die Integration gesteckt, und es widerlegt, dass diese Krise nicht zu managen ist.“ Bundeskanzlerin Angela Merkel habe zwar vielleicht einen hohen Preis für ihre Politik gezahlt, meinte Grandi. „Aber die Geschichte wird darüber urteilen, und ihre Politik wird als positiv in die Geschichte eingehen.“

Neben den Flüchtlingen gibt es weltweit Migranten, die bessere Arbeits- und Lebensbedingungen im Ausland suchen. Ihre Zahl schätzte das UN-Büro für Migration (IOM) 2017 auf 258 Millionen weltweit.

Reiche Länder haben zusammen nur 16 Prozent der Flüchtlinge aufgenommen

Mehr als die Hälfte der Flüchtlinge war im vergangenen Jahr eigenen Land vertrieben. Fast 30 Millionen waren über Grenzen geflohen, und vier von fünf kamen in Nachbarländern unter, nicht in Europa oder den USA, wie Grandi betonte. Die größte Bürde trügen nicht die westlichen Länder, in denen viele Politiker heute von einer Krise sprächen, die nicht mehr zu bewältigen sei. Reiche Länder haben nach UNHCR-Angaben zusammen 16 Prozent der Flüchtlinge aufgenommen. Ein Drittel der Flüchtlinge weltweit habe Zuflucht in den ärmsten Ländern gefunden.

Grandi kritisierte eine „Krise der Solidarität“. Die Welt sei zunehmend polarisiert: „Der Weltsicherheitsrat kann nicht einmal mehr gemeinsame Positionen finden, wenn es um humanitäre Fragen geht.“

Unter den fünf Ländern mit den meisten Flüchtlingen ist Deutschland nach der UNHCR-Statistik das einzige westliche Land. In Deutschland waren Ende vergangenen Jahres demnach 1,1 Millionen anerkannte Flüchtlinge sowie rund 370 000 Asylsuchende, über deren Fälle noch nicht entschieden war. Mehr Flüchtlinge gab es nur in der Türkei (3,7 Millionen) sowie in Pakistan, Uganda und dem Sudan.

Die meisten Asylanträge in den USA

Die Zahl der neuen Asylanträge von Venezolanern ist nach UNHCR-Angaben auf 350.000 explodiert. Das sind mehr als drei mal so viele wie im Jahr davor. Venezolaner machten damit ein Fünftel aller neuen Anträge weltweit aus, und sie waren mit Abstand die größte Asylsuchergruppe, gefolgt von Afghanen und Syrern.

Weltweit die meisten neuen Asylanträge wurden wie im Jahr davor in den USA gestellt, gut 250.000. Auf dem zweiten Platz stand Peru wegen des Andrangs von Venezolanern, gefolgt von Deutschland, so das UNHCR. Hier kamen die meisten neuen Anträge von Syrern, Irakern und Iranern.

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