Geistliches Wort von Ruhestandspropst Heinz Josef Durstewitz aus Eisenach

Die Erde braucht uns Menschen nicht. Wir brauchen die Erde. Wir können sie gestalten. Wenn wir leben wollen, müssen wir unsere Welt als unsere Wohnung gestalten.

Die erste Frage heißt dabei: Wie gehen wir miteinander um? Wenn auch nur einer aus diesem Haus ausgeschlossen wird, ist alles Bemühen um die Erde als Lebensraum Heuchelei und Lüge. Vor ein paar Tagen hieß ein Film: Hitler – Aufstieg des Bösen.

Hitler versprach eine lebenswerte Welt – aber leider nur für Ausgewählte. Trümmer und Tod beherrschten bald seine Zeit. Wo Feindbilder gepflegt werden, dort ist die schöne Zukunft ein Opium.

Wo der Tod im Namen Gottes oder eines Volkes oder einer Klasse oder im Namen der Zukunft zur Gestaltung der schönen Welt gehört, da ist in jedem Fall der Eingang zur Hölle.

Die selbst ernannten oder von leichtgläubigen Menschen gewählten Erlöser werden zu Teufeln: Hitler, Stalin, Mao – diese Reihe lässt sich mühelos bis in unsere Gegenwart und Nachbarschaft fortsetzen.

Das Markusevangelium zeigt uns das wahre Gesetz des menschlichen Lebens in unserer Welt: das Mitleid. Jesus lehrt es in Wort und Beispiel. Das Mitleid ist eine Grenze unserer Freiheit; das Mitleid zeigt sogar der Macht unseres Gottes seine Grenzen.

Aber Mitleid verbindet und entfaltet Gemeinschaft. Und was ist Leben anderes, als Gemeinschaft.

Verlassenheit ist Tod. Wir erleben gerade, wie bedrückend die Einschränkung der Gemeinschaft ist. Allein lässt sich das Leben nicht genießen; weder pfiffige Kinder noch erfahrene Alte fühlen sich wohl.

Die Vorteile des Home-Office schaffen kein Gegengewicht zur Gemeinschaft. Mitleid stellt die Menschen in einen Kreis.

Einer fasst den Anderen an. Man geht dieselben Schritte im selben Rhythmus: Leidende und Gesunde, Lachende und Trauernde, Jugendliche und Sterbende, Gauner und Fromme, Arbeitsame und Alkoholiker, Dumme und Studenten. Mitleid verbindet auch ohne Hilfe, ohne Rezept zur Änderung. Mitleid stellt auf eine Ebene. Mitleid kann die Niedrigen hochheben, und wo das nicht geht, lässt sich der Hohe herab in die Niedrigkeit.

Wo ist Gott im Leid der Zeit? Er leidet mit den Leidenden, er stirbt mit den Sterbenden, er wird geopfert, und er trägt die Opfer der Katastrophen, der Pandemie und menschlicher Bosheit.

Wir schätzen und pflegen unsere Freiheit. Die Freiheit findet zu ihrer Vollendung, wenn sie sich selbst beschränken lässt im Mitleid.

In der Kraft des Mitleids berührt Jesus alle, auch die Unberührbaren: Aussätzige und Sünder, Gauner und Verbrecher, Kinder und Verurteilte, Tote gar. Mitleid schafft Leben.

Ehe ihr etwas über Menschen sagt, macht es wie Jesus: Schaut in ihre Augen und in ihre Sehnsucht. Seid ihnen nah, notfalls öffnet ihrem Leiden euer Herz. Ich wünsche uns in dieser Woche Funken der Gemeinschaft.