Mit Gefahren und Gelegenheiten in der Krise befasst sich Pfarrer Bernhard Schilling in seiner Andacht zum Wochenende für den Kreis Sömmerda.

Das chinesische Wort für Krise ist aus den beiden Schriftzeichen für „Gefahr“ und „Gelegenheit“ zusammengesetzt. Es gibt unzweifelhaft die Gefahr dieser Corona-Krise: Menschen sterben zu Tausenden, erkranken schwer, gesundheitliche Spätfolgen bei einer Erkrankung werden angenommen und diskutiert, wirtschaftliche Existenzen stehen auf dem Spiel, Arbeitsplätze gehen verloren.

Die Gefahr dieser Krise ist real, wenn auch in unserer Gegend vielleicht nicht ganz so dramatisch – Gott sei Dank. Hautnah merken wir es aber, wie zerbrechlich unser Leben ist. Gefährdet von einem Feind, der nicht mal ein Lebewesen ist: Ein Virus, das nicht denken und nicht erkennen kann, was es da an Not und Leid anrichtet.

Und wir Menschen müssen schmerzhaft erkennen, dass die Gefahr und sogar der Tod immer neben uns sitzen – ohne 1,5 Meter Sicherheitsabstand. Keine Burgmauer, sondern eine Wand aus Papier trennt uns Menschen vom Tod. Und die Gelegenheit dieser Krise? Vielleicht, dass wir unsere oftmals engstirnigen Streitereien im Kleinen und Persönlichen wie im Großen und Politischen ruhen lassen und das sehen, was uns als Menschen alle verbindet: Der Tod ist unser aller gemeinsamer Feind, gegen den es anzukämpfen und gegen den es zusammenzustehen gilt. Mit aller persönlicher Kraft, aber auch mit allem naturwissenschaftlichen Wissen.

Und es ist die Gelegenheit, darüber nachzudenken, was wirklich wichtig im Leben ist: menschliche Kontakte, Gemeinschaft leben, Freunde und Familie, Liebe.

Die Gelegenheit dieser Krise? In einer Erzählung heißt es: „Ein Mann sieht hinter sich einen Schatten und beginnt voller Angst zu laufen. Doch der Schatten verfolgt ihn. Der Mann beginnt schneller zu laufen, aber er kann den Schatten nicht abschütteln. Schließlich bricht der Mann vor Erschöpfung zusammen und stirbt. Es war sein eigener Schatten“.

Er hätte sich freilich nur in den Schatten eines Baumes stellen müssen und der verfolgende Schatten wäre verschwunden gewesen. Es ist in dieser Zeit wieder neu die Gelegenheit, von dem eigenen Schatten von Geld, Macht und Erfolg sich nicht mehr verfolgen zu lassen, sondern sich vertrauensvoll in den Schatten eines Baumes zu setzen und auszuruhen.

Die Bibel redet in einem symbolischen Bild davon, dass es im Paradiesgarten einen Baum des Lebens gab. „Und Gott der HERR ließ aufwachsen aus der Erde allerlei Bäume, verlockend anzusehen und gut zu essen, und den Baum des Lebens mitten im Garten“ (1. Mose 2,9). Der Baum des Lebens ermöglicht es uns, in seinen Schatten uns zu stellen und ruhig zu werden. Seit Ostern und der Auferstehung Jesu Christi ist der Weg in den Paradiesgarten wieder offen, die Paradieswächter versperren den Zugang nicht mehr und grüßen vielmehr entspannt uns beim Hineingehen in den Garten.

Viel ist im Moment die Rede von den systemrelevanten Berufen. Und endlich bekommen – hoffentlich – die Menschen an ihren systemrelevanten Arbeitsplätzen auch die notwendige Anerkennung. Es gibt Denkmäler für Fürsten und Könige, die manchmal knöcheltief im Blut der Kriege gestanden haben. Jetzt ist die Gelegenheit, Denkmäler zu bauen für die Helden des täglichen Arbeitslebens, ob im Krankenhaus oder auf einer Baustelle.

Sich unterzustellen in den Schatten des Lebensbaumes heißt freilich auch, ruhig zu werden bei dem Gedanken, dass nach unserem christlichen Glauben ein jeder Mensch hier auf Erden systemrelevant ist – schon deswegen, weil wir wichtig sind für Gott, der wollte, dass wir sind. Ein jeder Mensch an seinem Ort ist von Gott gewollt.

Ein jeder Mensch ist wie eine Musiknote in einem großen musikalischen Werk. Da ist jede Musiknote wichtig und hat ihren Sinn und ihren Zweck und darf nicht fehlen.

Hinweis: An diesem Wochenende finden noch keine Gottesdienste in den Kirchen des Landkreises Sömmerda statt.