Unstrut-Hainich. Nach mehr als 100 Jahren müssen Schieferplatten und Balken ersetzt werden. Der Abschluss der Arbeiten ist für den Sommer geplant.

Der Turm der Kirche St. Walpurgis in Großengottern dominiert seit Jahrhunderten den Horizont der Umgebung. Doch dieser Tage zieht er noch mehr Blicke auf sich. Das 54 Meter hohe Bauwerk präsentiert sich komplett eingerüstet. Die fünf markanten Turmspitzen sind durch ein Gerüstgitter nur noch zu erahnen.

Bis in den Sommer hinein wird das Dach des Turmes saniert, wie Pfarrer Matthias Cyrus berichtet. Das Dach des Turmes meint in diesem Fall mehr als die Hälfte des gesamten Gebäudes. Denn das Dachteil ist länger als der gemauerte Turmschaft. In einer Höhe von 24 Metern fängt die Dach-Kachelung an.

Konkret geht es darum, die Schiefertafeln und die Holzverschalung abzunehmen, um an die darunterliegenden Balken des Dachstuhls zu gelangen. Zimmermänner werden dann defekte Holzbalken austauschen, ehe das Dach neu eingedeckt wird – wieder mit Schiefer.

„Die letzte Eindeckung des Daches muss Ende des 19. Jahrhunderts, in den 1890er-Jahren passiert sein. Die Platten haben also eine ganze Weile gehalten“, sagt Matthias Cyrus. Nachdem im Jahr 2013 ein Blitz in den Kirchturm eingeschlagen hatte, sei das Dach auf Schäden untersucht worden. Dabei sei festgestellt worden, dass einige Kacheln lose oder gar meterweise nicht mehr vorhanden gewesen seien. Seitdem habe das Projekt in der Warteschleife gehangen, was vor allem an der Finanzierung gelegen habe, erklärt der Pfarrer. Denn erst zwei Jahre zuvor, 2011, sei die Turmspitze der Nachbarkirche St. Marien saniert worden – ebenfalls kein billiges Unterfangen.

Turmspitzen verweisen auf das Marktrecht

Die Instandsetzung der Turmhaube von St. Walpurgis schlägt laut Matthias Cyrus mit etwa 380.000 Euro zu Buche – es ist ein Großprojekt für alle beteiligten Partner. Die Kirchengemeinde trägt 120.000 Euro, weiteres Geld kommt von der Gemeinde Großengottern – jetzt Teil der Landgemeinde Unstrut-Hainich – und aus verschiedenen Fördertöpfen. Sofern die Bauarbeiten nach Plan verlaufen, soll das Gerüst Ende Juli weichen.

Offen bleibt laut Matthias Cyrus, aus welcher Zeit die jetzige Dachkonstruktion eigentlich stammt. Der fünfzackige Turm mit einer Hauptnadel und vier sogenannten Kavalierstürmen verweise auf das Marktrecht in Großengottern. Es war ein weithin sichtbares Signal, dass in Großengottern Handel betrieben werden durfte. „Das Marktrecht galt seit 1666, also kann das Dach frühestens im 17. Jahrhundert umgebaut worden sein“, sagt der Pfarrer.

Auch zur Geschichte der Kirche selbst sei längst nicht alles bekannt – wie bei vielen Gotteshäusern. Es existiere schlichtweg keine durchgehende Chronik. Der jetzige Baukörper der Kirche soll am Ende des 15. Jahrhunderts errichtet worden sein. Bekannt sei immerhin, dass am jetzigen Standort schon vorher eine Kirche gestanden habe. „Der Turm selbst soll einmal Teil einer Burg gewesen sein. Auch wenn sich darauf kein Hinweis findet, bis auf die Burggasse in Großengottern“, sagt Cyrus.

Turmkugel soll bald geöffnet werden

Ein weiteres Mysterium, wenn auch aus deutlich jüngerer Zeit, betrifft den großen Turmknopf. Alle fünf wurden für die Bauarbeiten abgenommen und lagern jetzt in der Kirche. Die Kugel des Hauptturmes weist zwei Schusslöcher auf. Ein von unten abgefeuertes Projektil hat das Metallgehäuse durchquert. Ob dies ein Überbleibsel der Kriegszeit oder eine Folge neuerer Zielübungen ist, kann Matthias Cyrus nur mutmaßen.

Die Kirchengemeinde will die Gelegenheit der Sanierung nutzen und die Kugel öffnen. Im Beisein der Bürger soll geprüft werden, ob und wenn ja welche Zeitdokumente sich im Inneren befinden. Der Termin soll rechtzeitig bekannt gemacht werden.