Eisenach. Der Bodelschwingh-Hof Mechterstädt hat mit dem Musical „Kwela, Kwela“ in Eisenach seinen 70. Geburtstag gefeiert.

Der einzige Höhepunkt, den eine junge Rollstuhlfahrerin in einem DDR-Altenheim erlebte, war, dass die Heimmitarbeiter sie täglich auf den Balkon (ab)schoben. „Als sie an den Bodelschwingh-Hof kommt und mir sagt, dass sie sich hier wie neugeboren fühlt, hat mich das sehr, sehr berührt“, betonte Pfarrer Volker Bomm in seiner Festrede anlässlich des Jubiläums „70 Jahre Bodelschwingh-Hof Mechterstädt“. Diese Begegnung entzündete in Volker Bomm ein Feuer, seine ganze Kraft in das Gedeihen des Bodelschwingh-Hofs zu investieren. Die Platzanweiser des Eisenacher Landestheaters hatten am Freitagabend ganz schön zu tun, um noch Restplätze für die Letzten des gewaltigen Ansturms an Festgästen zu finden.

Als Vereinsvorsitzender entführte Volker Bomm die Gäste in die Geschichte des Bodelschwingh-Hofs, die mit der Gründung am 8. April 1949 begann. Seit Gärtnermeister Gustav Vogel eine Brache aus fruchtlosem Boden der Kirchengemeinde Mechterstädt in eine sich gut entwickelnde Gärtnerei verwandelte, ist viel Zeit verstrichen. Heute bietet der Bodelschwingh-Hof Arbeit für 345 Mitarbeiter. Die fünf Werkstätten zählen derzeit mehr als 600 beschäftigte Menschen mit Handicap. Die sieben Wohnheime bieten über 200 Bewohnern ein Zuhause. „Vom einstigen Rehabilitationsgedanken zu DDR-Zeiten sind wir längst zur Inklusion gekommen, aber es gibt trotzdem noch viel zu tun“, hebt Aufsichtsratsvorsitzender Volker Bomm hervor.

Als „großartiges Beispiel für gelungene Inklusion“ bezeichnet er das Musical „Kwela, Kwela“, das Behinderten mit Schauspielern des Landestheaters einstudierten und am Freitagabend aufführten. „Wir haben viele zusätzliche Proben angesetzt, neue Tanzschritte einstudiert und die letzten Tage hier am Landestheater viel geprobt“, erzählt der musikalische Leiter des Stücks, der Eisenacher Musikpädagoge Nico Klinkhardt. Die Aufführung des Projekt „Musikuss“ zum Sommerfest und zum Impulstag der Diakonie Mitteldeutschland im vergangenen Jahr gefiel allen so gut, dass man sich dieses Musical auch als Geburtstagsständchen zum Jubiläum vorstellen konnte.

Darsteller mit stehenden Ovationen gefeiert

Die Zuschauer erlebten im Landestheater einen Farbenrausch aus aufwendigen Tierkostümen, perfekt abgestimmter Bühnenbeleuchtung, einer sehenswerten Choreographie beeindruckender Tänze, gelungen geschminkten Gesichtern sowie teils recht witzigen Dialogen vieler guter Darsteller. Diese Fülle ließ das Zuschauerauge fortwährend über die Bühne tanzen, das stets neue Details wahrnahm. Auch in musikalischer Hinsicht bekamen die Gäste mit dem Stück des Komponisten Andreas Schmittberger einen Leckerbissen serviert: Der gemischte Chor und die Band überzeugen. Von Minute zu Minute schwand das Lampenfieber der Laiendarsteller.

Fast schon im Minutentakt bedachten die Zuschauer die Bühnen-Akteure mit reichlich Zwischenapplaus. Die Theaterprofis Christine Hofer und Stephan Rumphorst führten als Erzähler durch das Musical, das sich an Erich Kästners Märchen „Die Konferenz der Tiere“ anlehnt.

Mit stehenden Ovationen feiern die Zuschauer knapp zehn Minuten die Darsteller und erst mit eingeforderter Zugabe entließ das Publikum die „Stars“ des Abends. Auf dem Eisenacher Theaterplatz klang die Geburtstagsfeier des Bodelschwingh-Hofs beim gemütlichen Zusammensein aus.