Mühlhausen. Andreas Kunz sucht als Senior-Experte in Durban seine Herausforderung und vermittelt an einem Kinderheim, wie man Geld für die tägliche Arbeit akquiriert

Andreas Kunz (66) war drei Wochen lang in Südafrika, um im Dienste der „SES“ ehrenamtlich als Senior-Experte zu agieren. Dahinter verbirgt sich der Senior Experten Service (SES). Das ist eine Stiftung der Deutschen Wirtschaft für internationale Zusammenarbeit, nach eigenen Angaben die führende deutsche Entsendeorganisation für ehrenamtliche Fach- und Führungskräfte im Ruhestand oder in einer beruflichen Auszeit. Seit 1983 gibt der SES weltweit Hilfe zur Selbsthilfe – in allen Branchen und Sektoren. Seit 2018 ist Andreas Kunz dabei. Er ist gelernter Elektromonteur, studierte später Soziale Arbeit und Erziehungswissenschaften.

Zurzeit stellen dem SES mehr als 12.500 Expertinnen und Experten aus allen beruflichen Richtungen ihr Wissen und ihre Erfahrung zur Verfügung. Seit 1983 hat der SES nach eigenen Angaben mehr als 50.000 ehrenamtliche Experteneinsätze in mehr als 160 Ländern durchgeführt, etwa ein Drittel davon in Deutschland.

Kindern einen kritischen Blick vermitteln

Für Kunz war es der erste internationale Einsatz. Zuvor hatte er sich bereits im Landkreis in einem Mentoren-Programm dafür eingesetzt, dass ein junger Mann seine Facharbeiter-Prüfung zum Industrieelektroniker meistert. Es ging weniger um das Fachliche, als vielmehr darum, Lernstrategien zu vermitteln und zu motivieren.

In Südafrika, in der 3,5-Millionen-Stadt Durban, vermittelte er einem Kinderheim in Trägerschaft der katholischen Kirche, wie man an Geld für die Arbeit kommen kann. Das sei dort extrem wichtig. Kunz erklärt: „Dort beträgt der staatliche Zuschuss zum Unterhalt einer solchen pädagogischen Einrichtung nur 40 Prozent; die anderen 60 Prozent müssen aus anderen Quellen gewonnen werden. Und hier wurde von mir Unterstützung erwartet.“ Vier Mitarbeiter seien im Fundraising geschult worden.

In Südafrika gebe es 13 Amtssprachen und hinter diesen stünden 13 verschiedenen Kulturen. Durban sei ein Schmelztiegel der Kulturen. Und sie sei ein Spiegel großer sozialer Unterschiede. Zwischen Luxuswohnungen in Strandnähe und Siedlungen aus Blech- oder Holzhütten ohne jegliche Ver- und Entsorgung finde man in der Stadt alles – auch brennende Müllhalden. Die 27 Mädchen in dem von Kunz unterstützten Kinderheim, zwischen sechs und 19 Jahre alt, seien alle traumatisiert gewesen, müssten damit klarkommen, missbraucht worden zu sein.

„Angesichts dieser vielen widersprüchlichen und sehr emotionalen Situationen erschien mir meine Aufgabe wie der Kampf gegen Windmühlen. Aber wir haben den Kolleginnen und Kollegen vor Ort deutlich machen können, dass sie mit ihrer Arbeit nicht vordergründig soziale Not lindern“, sagt Lindner. Natürlich, das tun sie auch. Sie formen zugleich die Zukunft Südafrikas: die Kinder. „Sie sind die Zukunft des Landes. Ihnen muss durch Bildung ein kritischer Blick auf ihre Kultur vermittelt werden, der es ihnen ermöglicht, sich weiterzuentwickeln.“

Andreas Kunz und seine Frau Elisabeth haben sich dessen angenommen. „Es ist unsere Aufgabe, von außen Impulse zu setzen“, sagt die einstige Schulleiterin. Für den Herbst haben sie die Südafrikaner nach Mühlhausen eingeladen, wollen ihnen zeigen, wie in Deutschland Kinderheime arbeiten und Schulen und das Fundraising.

Bis dahin kümmere er sich um eine junge Ukrainerin, die in Mühlhausen die Ausbildung zu Hotelfachfrau absolviert. Er habe ihr bereits ein paar Steine aus dem Weg geräumt, um an der dualen Hochschule Gera-Eisenach studieren zu können. „Nun liegt es an ihr, sich zu kümmern und zu fragen, wenn sie Hilfe bracht.“

Und wie sieht es mit einem zweiten Aufenthalt als Senior-Experte in Südafrika aus? „Ich würde gerne noch einmal in das Kinderheim, um zu sehen, was sie aus unseren drei Wochen mitgenommen haben.“