Erfurt. Vor mehr als 14.000 Zuschauern begeisterte die Kelly Family ihre Fans am Freitagabend auf dem Erfurter Domplatz.
Hippie-Ya-Yeah, die Kelly Family ist zurück auf der Straße. Anders als vor ihrem kommerziellen Durchbruch in den 90er Jahren und bei Soloprojekten vor dem Comeback spielt sie zwar nicht mehr in Fußgängerzonen, dafür aber auf den schönsten Plätzen des Landes.
Doch die Musikerfamilie, inzwischen auf sieben Köpfe geschrumpft, hat nicht vergessen, wo sie herkommt: Immer wieder bedankt sich John beim Open Air auf dem Erfurter Domplatz „bei jedem Einzelnen“ der 14.000 Zuschauer aller Altersklassen für die Treue und Verbundenheit. Immer wieder spricht er von Demut, weil es nicht eine Minute des Fremdelns gab, als die Gruppe vor zwei Jahren auf die großen Bühnen zurückkehrte. Das Kernpublikum, das sich die einst paradiesvogelbunte Familie erarbeitet hat, ist doch immer da, aber es sind auch viele neue Fans dazugekommen.
Blauer Himmel über Erfurt, noch am Abend über 20 Grad: Thüringen zeigt sich von seiner besten Seite, als das gut zweistündige Konzert beginnt. „When the boys come into town“, „Staying alive“ und „We got love“ - schon bei den ersten drei von 30 Titeln verwandelt sich der Domplatz in einzige Partymeile. „Meine Güte“, staunt Jimmy, „wo wart ihr denn alle, als ich das letzte Mal hier um die Ecke gespielt habe? Okay, ihr wart da, bloß eben zu verschiedenen Zeiten.“
Geburtstagsständchen für Jimmys Tochter
Weil die Zeit seiner Solo-Konzerte als Straßenmusiker, auf die er da anspielt, vorerst vorbei ist und er wieder mit seinen Geschwistern tourt, muss an diesem Abend seine kleine Tochter, die Geburtstag hatte, auf den Papa verzichten. Doch zur Entschädigung gibt es ein gemeinsam mit dem Erfurter Publikum gesungenes Ständchen via Smartphone und das Versprechen, den Papa bald einen Tag ganz für sich allein zu haben. Familie eben.
Was eine solche ausmacht, das erlebt das Publikum an diesem Abend hautnah: Man zieht einander auf, wenn Bruder Angelo am Schlagzeug den falschen Titel anstimmt und die umgestellte Setlist noch nicht verinnerlicht hat, verpasst (Jimmy) dem Bruder (Joey) beim bewegenden Duett nach jahrelangem Kontaktabbruch einen angedeuteten Tritt in den Hintern, damit einen die Rührung nicht übermannt, oder feiert Wirbelwind Patricia und den Metalrocker der Familie, Marathon-Man Joey, wenn der den „Wolf“ gibt, um sich schlussendlich bei „Brothers and Sisters“ in den Armen zu liegen.
Die Zuschauer erleben Musiker, die nicht nur große Stimmen haben und Multiinstrumentalisten sind - ein Höhepunkt ist das Schlagzeug-Solo von Angelo. Es macht ihr auch sichtlich viel Spaß, zusammen zu musizieren und vom spanischen Flamenco über die gefühlvoll gesungene Ballade bis zum Hardrock all das zu bringen, wofür die Kelly Family steht. Und das erst recht in einer Stadt, die ihnen schon in der frühen Straßenmusik-Ära ans Herz gewachsen ist. „Erfurt“, sagt Kathy, „ist einfach wunderschön. Hier zu spielen, eine große Ehre.“
Als gegen Viertel nach elf der letzte Ton verklungen ist, machen sich viele ganz andächtig auf den Heimweg, illuminierte Blumenkränze im Haar, Leuchtstäbe in der Hand. Nur die Bahn erweist sich an diesem Abend als Spielverderber und scheint vom Großereignis auf dem Domplatz noch nichts gehört zu haben: Als um 23.02 der Zug über Weimar und Jena nach Gera startet, bleiben viele Fans am Bahnsteig zurück.
