Gotha. Jens-Eike Albrecht ist im Helios-Klinikum Gotha der einzige Angestellte im Rollstuhl. Im September geht er mit der Deutschen Nationalmannschaft auf Titeljagd.

Die Hände kurbeln die Räder an. Jens-Eike Albrecht rollt den Gang entlang. Auf dem weißen Schild, das an seinem blauen Hemd heftet, leuchtet der schwarze Schriftzug: Medizinisch-technischer Dienst. Und an der Büro-Tür im Erdgeschoss steht Entlass-Management. Hinter diesen etwas komplizierten Wort-Verbindungen verbirgt sich eine studierte Tätigkeit, die Jens-Eike Albrecht der Einfachheit halber als „Sozialarbeiter beziehungsweise Sozialpädagoge“ benennt.

Seit der Geburt ist der 28-Jährige querschnittsgelähmt, seit Juli des vergangenen Jahres arbeitet der Wahl-Erfurter im Helios-Klinikum in Gotha, wo er der einzige Angestellte im Rollstuhl ist. Was anfangs hier und da Erstaunen ausgelöst hat, erscheint mittlerweile als Normalität.

Jens-Eike Albrecht zählt zu einem Sozialteam von vier emsigen Mitarbeitern. „Regelmäßig erhalten wir positive Rückmeldungen über die herzliche Art von Herrn Albrecht“, berichtet Sandra Oehmer, die im Haus am Gothaer Stadtrand unter anderem für das Marketing zuständig ist.

„Schicksale sind mir nicht egal“, äußert der Gelobte. „Ich weiß aus eigenem Erleben, wie schwer der Alltag manchmal sein kann“. Die Frauen und Männer, jung oder alt, fühlen sich bei ihm aufgehoben und verstanden. Sandra Oehmer erwähnt, dass von den jährlich rund 21.000 Patienten im Klinikum mehr als die Hälfte mit dem Sozialdienst der Klinik in Berührung kommt.

Ungewollte Hilfe kann unangenehm sein

Jens-Eike Albrecht unterstützt andere liebend gern. Aber er mag es selbst nicht, wenn ihm wegen seiner körperlichen Behinderung ungefragt geholfen wird. „Ich habe es ja gelernt, in fast allen Lebenslagen allein zurechtzukommen“. Ein durchaus gut gemeinter Griff zur Unterstützung könne da störend sein. Er erzählt ein Beispiel aus dem Einkaufsmarkt. „Ich stehe dort an der Kasse, plötzlich langt ein Mann in den Korb und legt die Waren aufs Band. Darüber war ich sehr sauer, das habe ich als einen Eingriff in meine Privatsphäre empfunden.“

Ähnlich Erlebnisse schilderte dieser Zeitung kürzlich die Thüringer Radsport-Olympiasiegerin Kristina Vogel, die seit fast einem Jahr querschnittsgelähmt ist und sich nun in der lokalen Erfurter Politik für die Belange der Behinderten einsetzen möchte. „Das finde ich gut“, so Albrecht, denn es gäbe in dieser Richtung noch einiges zu verbessern, „vor allem, was die Barrierefreiheit in öffentlichen Gebäuden betrifft“.

Im Gothaer Helios-Klinikum spult Jens-Eike Albrecht an manchen Tagen mehrere Kilometer ab. Dann, wenn er mit mehreren Akten auf dem Schoß durch das Klinikum fährt. Ziel ist dann meist eine der Stationen in der eine Entlassung bevorsteht. „Ich kümmere mich um die Versorgung der Patienten nach dem Klinikaufenthalt“, beschreibt er. Das könne beispielsweise die Organisation der Reha, das Schreiben von Anträgen, der Kontakt mit dem Pflegedienst, das Besorgen von Hilfsmitteln bedeuten – oft in Abstimmung mit den Angehörigen.

Sommertraining für die Nationalmannschaft

Jens-Eike Albrecht (links) bei einem Spiel der RSB Thuringia Bulls Elxleben. Foto: Sascha Fromm
Jens-Eike Albrecht (links) bei einem Spiel der RSB Thuringia Bulls Elxleben. Foto: Sascha Fromm © zgt

An Ausdauer mangelt es ihm dabei nicht. Denn er ist ein austrainierter Sportler, der dem aktuellen Rollstuhl-Basketball-Team von den RSB Thuringia Bulls Elxleben angehört, das sich wieder den Champions-League-Titel und die deutsche Meisterschaft geholt hat. Während der laufenden Saison trainiert er bis zu zweimal täglich, derzeit ist im Verein eine Art Sommerpause.

Doch nicht für Jens-Eike Albrecht, der auch Teil der Nationalmannschaft ist, die sich auf die EM im September in Polen vorbereitet. „Manchmal ist es wirklich nicht leicht, Beruf und Sport zu verbinden“, sagt er eher beiläufig. Um sofort anzufügen, dass „beides unheimlich viel Spaß macht“.

Sein Telefon klingelt. Ein Anruf von der Station E1. Jens-Eike Albrecht greift geschwind zu zwei Ordnern und fährt davon. Zum Helfen.