Erfurt. Im Gespräch erzählt der Erfurter Sänger Clueso über Schlumper-Klamotten, Todesangst und fehlende Routine beim Erfurter Weihnachtskonzert.

Dieses Jahr hat Clueso sich rar gemacht. Momentan arbeitet der Erfurter Künstler an einem neuen Album. Zu Weihnachten steht der 39-Jährige aber wieder in seiner Heimatstadt auf der Bühne – und verteilt musikalische Geschenke.

Hallo Clueso, gut erholt? Sie haben sich gerade eine Auszeit gegönnt?

Ja, das Jahr war stressig, ich bin viel unterwegs gewesen. Leider hat es mich dann auf Teneriffa gleich weggeklatscht, erst nach ein paar Tagen konnte ich das Ganze genießen. Aber wenn man es sich aussuchen kann, wo man krank ist, dann doch am liebsten dort. Jetzt ist alles super.

Was für ein Urlaubstyp sind Sie — Schirmchen-Drink am Pool oder trampen in zerschlissenen Jeans?

Beides hat seinen Reiz. Es kommt auf den Augenblick an. Ich mag im Urlaub Schlumper-Klamotten. Wenig Gepäck, einfach ab in den Flieger. Aber natürlich ist auch die Unterkunft wichtig, das checke ich vorher aus: Schöner Ausblick, Ruhe, Strandnähe. Dazu ein Kamin oder einen Platz zum Grillen.

Sind Sie dann allein oder in Mannschaftsstärke unterwegs?

Mit Freunden, zu zweit — wie es passt. Ich liebe auch Einsamkeit.

Arbeits- und Erholungsphasen wechseln sich regelmäßig ab, hören Sie auf Ihren Körper?

Diesen Mix brauche ich. Es beginnt mit einem Rappel und ich denke: Es muss auch ohne mich gehen. Wenn es im Studio klemmt, brauche ich Abstand. Ich werde dann hibbelig — das sind klare Signale, die der Körper sendet. Mittlerweile nehme ich mir ganz bewusst Auszeiten, das ist sicher auch eine Frage des Älterwerdens. Man ist vernünftiger. Es reicht dann schon, einfach zu Hause abzuhängen.

Ein Reise-Traumziel?

Ich war noch niemals New York.

Nervt es eigentlich, immer und überall erkannt zu werden?

Ganz ehrlich, es gibt Tage, an denen will man nur ungestört sein. Beispielsweise hatte ich neulich eine kleine OP, eine Zyste auf den Stimmbändern, nix Dramatisches. Da habe ich mich in ein Berliner Hotel zurückgezogen, damit ich gar nicht erst angesprochen werde.

Also wollen Sie die Figur „Clueso“ ab und an auf den Mond schießen?

Ja, solche Momente gibt es. Aber schon bald ist der Anfall vorbei. Ich weiß, was ich der Musik, der Person und der damit verbundenen Bekanntheit verdanke.

Der selbst verordnete Neuanfang liegt jetzt drei Jahre zurück — fühlt es sich immer noch gut an?

Total. Wir sind jetzt ein kleineres Team, ich kann befreit arbeiten. Nicht die Band, das Konzept steht im Mittelpunkt. Das nimmt auch Last von meinen Schultern. Dieses Jahr habe ich schon 22 Songs geschrieben – mein Ziel sind 30.

Aber es wurden bei der Trennung auch einige Leute mächtig vor den Kopf gestoßen…

...klar, ich würde heute manches anders machen. Bestimmte Entscheidungen während der Trennungsphase hätte ich eher kommunizieren müssen. Aber auch das ist eine Sache der Erfahrung, des Alters. Ich habe manche Fehlentwicklung schon recht früh gefühlt, wollte sie aber nicht wahrhaben. Vielleicht habe ich hier und da auch zu viel Rücksicht genommen – und das hat sich dann ins Gegenteil verkehrt. Deshalb bin ich heute in kritischen Situationen geradliniger.

Es geht bei Ihnen steil auf die 40 zu, treibt Sie das um?

Das Älterwerden selber ist erst einmal kein so großes Ding. Beim Blick in die Zukunft sind es eher Krankheiten und Leiden, vor denen ich Bammel habe. Vor dem eigentlichen Tod kann man ohne Probleme Angst haben. Wie jeder andere auch, hoffe ich natürlich, dass mir langes Leiden erspart bleibt.

Es ist kein schönes Gefühl, wenn man sich der eigenen Endlichkeit bewusst wird…

...das gerechte daran ist, dass keiner ausgenommen wird. Ich glaube auch ganz fest daran, dass von jedem ein Stück bleibt. Ich durfte in meinem bisherigen Leben viele spannende Momente erleben, ich habe Fehler gemacht und super Entscheidungen getroffen. Bis jetzt eine ganz ordentliche Erfolgsbilanz, finde ich. Es ist ein gutes Gefühl, wenn man anderen Menschen, Fans, mit der Musik eine schöne Zeit macht.

Sie arbeiten mittlerweile an Ihrem neunten Album.

Und jedesmal habe ich das Gefühl, ich mache es zum ersten Mal. Also immer wieder ein Neuanfang. Die erste Frage lautet dabei: Was kann ich den Menschen erzählen, ohne peinlich zu wirken. Irgendwie geht es mir auch darum, mit dem neuen Album das Vorgänger-Werk zu torpedieren. Ich habe diesmal mit mehreren Produzenten gearbeitet — nur meine Stimme hält das Ganze zusammen, wie ein roter Faden. Anfang des nächsten Jahres will ich eine erste Single veröffentlichen. Aber mehr steht noch nicht fest.

Es wird also kein zweites „Handgepäck“?

Nein. Auf dem neuen Album gibt es mehr Beat, weniger Akustik und eine große Portion urban. „Handgepäck“ mit seinen minimalistischen Songs war ein Liebhaberstück, ein richtig flotter Radio-Hit war da nicht dabei, außer „Du und Ich“. Aber das war auch von Anfang an so geplant.

Sind denn die zwei Weihnachtskonzerte in Erfurt mittlerweile ein bisschen Routine im positiven Sinne?

Nein. Ich kann und will die Auftritte nicht zur Routine werden lassen. Schon lange vorher treibt mich die Frage um: Was erwarten die Fans, was will ich ihnen bieten. Schon da wird jede Menge Energie und Adrenalin freigesetzt. Die ganzen Proben, die Videoanimationen, alles ist sehr, sehr aufwendig und zeitintensiv. Es gab schon mal die Überlegung, die Konzerte für ein Jahr auszusetzen. Aber dann erreichten uns so viele Anfragen und Bitten, dass wir die Fans nicht enttäuschen wollten. Es ist riesig, dass die Leute immer noch Bock drauf haben.

Sind Sie stolz auf die Freiheiten und die Unabhängigkeit, die Sie sich im Musikgeschäft erarbeitet haben?

Es war ein langer Weg. Von Anfang an habe ich aber versucht, so viel Entscheidungsgewalt wie möglich in den eigenen Händen zu behalten. So sind beispielsweise die Laufzeiten der Plattenverträge von mir bewusst begrenzt worden. Das heißt nicht, dass nicht auch eine lange Zusammenarbeit möglich ist. Aber man muss sich vor denen hüten, die einen verpflichten und ausnutzen wollen. Das wäre auch mein Tipp an junge aufstrebende Bands. Nie vergessen: Die ganze Musikszene ist eine einzige Gefahrenzone.

Das heißt, Sie sagen bei bestimmten Anfragen ganz bewusst: nein?

Sicher ist das ein Luxusproblem, wenn man jede Woche zig Einladungen, Anfragen und Konzertangebote erhält. Aber ich kann mich auch nicht zerteilen — und auf manche Dinge habe ich einfach keinen Bock mehr. Übrigens ist auch das wieder eine Frage des Alters. In den letzten sieben Jahren musste ich lernen, zu entscheiden, was ist wirklich dringend und was kann warten. Der ganze Umgang miteinander muss dabei verbindlich bleiben. Ein Künstler kann auch nicht nur dann an die Öffentlichkeit gehen, wenn er Platten oder Tickets verkaufen will.

Kann man Sie zum Weihnachtsfest mit irdischen Dingen beglücken?

Klar, ich stehe total auf Geschenke — und lass mich gerne überraschen.

Konzerte mit Clueso: Samstag, 28. Dezember, 19.30 Uhr (ausverkauft), und Sonntag, 29. Dezember, 19.30 Uhr (Restkarten), jeweils Messehalle Erfurt