Gotha. Behinderte und Betreuer des Bodelschwingh-Hofs wollen mit Schauspielern des Landestheaters Eisenach das Musical „Kwela, Kwela“ auf großer Bühne zum Jubiläum der diakonischen Einrichtung aufführen.

Beifall und Jubel branden auf. Behinderte, Betreuer und Schauspieler sind begeistert. Zwei Stunden haben sie gemeinsam im Sportraum der Werkstatt des Bodelschwingh-Hofes in Gotha-Süd an einem Musical geprobt.

Mitten unter ihnen Andris Plucis. Der Chef-Choreograph und Intendant des Eisenacher Landestheaters reiht sich in die Abschlusspolonaise ein, geht Schritte der Darsteller nach, empfindet die Bewegungen der Laiendarsteller mit – körperlich und emotional.

Der Theaterfachmann nutzt die Euphorie, um für die nächsten Proben zu motivieren. „Mit dem letzten Lied Kwela fangen wir bei der nächsten Probe an.“ Dann sollen die neuen Schritte wiederholt werden. Auch der „wunderbare Geistertanz“.

Aus Plucis spricht Überschwang pur. „Das wird eine schöne Sache.“ Soll es auch. Denn am Samstag, 10. Mai, führt der Bodelschwingh-Hof Mechterstädt mit dem Landestheater auf dessen großer Bühne das Musical „Kwela, Kwela“ auf. Der Beginn: 18 Uhr.

Die diakonische Einrichtung kann dieses Jahr auf 70-jähriges Bestehen blicken. Was am 8. April 1949 vom Gärtnermeister Gustav Vogel als kleines „Pflänzchen“ auf brachliegendem Land der Kirchgemeinde Mechterstädt begann, das hat sich zum größten sozialen Unternehmen im Kreis Gotha entwickelt.

Der Diakonieverbund für den Landkreis, zu dem Bodelschwingh-Hof, das Diakoniewerk Gotha und mehrere gemeinnützige GmbHs gehören, zählt 674 Mitarbeiter in mehr als 50 Einrichtungen. Die Bandbreite reicht von Alten- und Pflegeeinrichtungen, Jugendmigrationsdienst bis geschützte Werkstätten. Der runde Geburtstag und die erfolgreiche Arbeiten sollen mit einer Musical-Aufführung im Landestheater Eisenach gewürdigt werden.

Denkwürdige Aufführung zum 70-jährigen Bestehen

Für beide Seiten stellt das Musical-Projekt eine bislang einzigartige künstlerische Kooperation in dieser Größe dar. Neuland ist die Zusammenarbeit keineswegs. Beim Fotoshooting zur Gestaltung eines Geburtstagskalenders unter dem Motto „Du bist ein Star! Wandlungen!“ waren vom Bodelschwingh-Hof 15 Menschen mit Behinderungen mit Requisiten des Landestheaters in Szene gesetzt worden.

Für die Musical-Inszenierung liegen die Anforderungen einige Messlatten höher. Entsprechend akribisch laufen die Vorbereitungen. In den kommenden Wochen stehen mehrere Probentage an, zuerst im Sportraum in Gotha-Süd, dann auf der Bühne.

„Die Schwierigkeit für uns ist, die Schauspieler in bestehende Abläufe des eigentlich schon fertigen Stücks einzubinden“, sagt Nico Klinkhardt. Der Eisenacher aus der Nazzaer Musiker-Dynastie Klinkhardt leitet beim Bodelschwingh-Hof seit drei Jahren das Projekt „Musikuss“. Es führt Menschen mit und ohne Behinderung beim Singen und Musizieren zusammen.

Die „Musikusse“ lassen seither bei Sommerfesten des Bodelschwingh-Hofs mit Auftritten aufhorchen. Als sie vergangenes Jahr zum sogenannten Impulstag in Arnstadt das Musical „Kwela, Kwela“ darboten, erhielten sie stehende Ovationen. „Das hat uns auf die Idee gebracht, es zum Jubiläum noch mal im größeren Rahmen zu zeigen“, sagt Thomas Gurski, Vorstand des Bodelschwingh-Hofes. Wegen des Kalenders war das Landestheater die erste Adresse.

Auch Plucis liegt die Zusammenarbeit am Herzen. „Diese Welt ist mir nicht fremd. Mein Bruder war schwer geistig behindert.“ Er habe Klinkhardts Anregung, das Musical im Landestheater aufzuführen, bereitwillig aufgegriffen.

Das Interessante werde die Umsetzung auf der Bühne sein, sagt der Choreograph. „Dem müssen wir noch ein bisschen Sicherheit geben.“ Atmosphärisch werde es ein Erlebnis – für Akteure wie Zuschauer, ist er überzeugt, wenn mit Scheinwerferlicht, Nebel und Bühnentechnik das afrikanische Märchen in Szene gesetzt wird.

Christine Hofer, verantwortlich fürs Schauspiel am Landestheater, übernimmt mit ihren Kollegen Asena Lupas und Stefan Rumphorst Sprechrollen und koordiniert das Zusammenspiel in der neuen Konstellation. Sie ist von der Zusammenarbeit mit den Behinderten begeistert. „Unter ihnen sind sehr begabte Schauspieler. Für uns ist es unglaublich inspirierend.“

Besonders hat es ihr Edwin Schmidt angetan, wie er trommelt. „Er ist unglaublich musikalisch begabt.“ Er habe rhythmisches Blut. „Ich bräuchte 50 Jahre, um das einzustudieren“, sagt sie voll Hochachtung.

Sie spricht von theatralischen Momenten, die entstehen, etwa bei Lisa Kemkowsky in der Hasenrolle. Es liege Magie in ihrem Spiel. „Manchmal vergessen wir Theaterleute, was für ein Zauber von Theater ausgeht.“ Hier sei es unmittelbar erlebbar.