Arnstadt. Während ein Laden mit arabischen Spezialitäten aufmacht, schließt eine Arnstädter Institution – die „Lederbörse“.

Bis vor ein paar Tagen wusste in Arnstadt wohl kaum jemand, was Molokhia ist. Das hat sich geändert, seitdem es den „Kings-Markt“ mit arabischen und türkischen Spezialitäten in der Erfurter Straße gibt.

Molokhia sind die Blätter von der Arabische Malve. Sie werden als Gemüse verwendet und sind am ehesten vergleichbar mit dem hierzulande bekannten Spinat. Im Nahen Osten, Ost- und Nordafrika sind sie sehr beliebt. Molokhia ist allerdings auch gewöhnungsbedürftig – manche lieben sie, andere finden sie aufgrund der Konsistenz eklig. Gekochte Molokhia ziehen nämlich Fäden.

„Die Leute hier sind aber sehr neugierig, sie fragen auch nach Rezepten“, so der 17-jährige Mohammad Al Housaene, der jeden Morgen im Laden seines Vaters Bashar die Regale einräumt.

Seit fünf Jahren leben die Housaenes in Deutschland, seit dreieinhalb Jahren in Arnstadt. Mohammed – der sehr gut Deutsch spricht – bezeichnet den Laden als Glücksfall. Eigentlich wollten sie zusammen mit einem Onkel in Arnstadt auch arabische Fleischspezialitäten verkaufen, aber als der Onkel in Eisenach die Möglichkeit bekam, ein Restaurant zu eröffnen, nahmen die beiden Housaenes davon Abstand.

Waren kommen aus dem arabischen Raum

Seit Anfang Mai ist der „Kings-Markt“ geöffnet. „Am Anfang kamen natürlich erst einmal viele Leute, um zu gucken“, erzählt Mohammed, „die Arnstädter sind schon sehr neugierig“. Doch dann kamen viele wieder – meist mit der Familie im Schlepptau – und kaufen vor allem Süßigkeiten, Honig und Oliven – einfach um einmal zu probieren. Und dann eben Molokhia – Mohammed erklärt immer wieder geduldig, wie man dieses Gemüse zubereitet. Die Waren beziehen die Housaenes aus der Türkei und dem arabischen Raum über einen Großhändler in Deutschland – auch für sie gelten die strengen Regeln beim Handel mit Lebensmitteln.

Die Lage mitten in der Fußgängerzone ist ideal, sagt Mohammed und eilt zu zwei Frauen, die wissen wollen, welche Oliven sich am besten für einen Salat eignen. „Als wir den Mietvertrag unterschrieben hatten und anfingen, den Laden einzuräumen waren wir richtig glücklich.“ Es sei zwar viel Arbeit, „aber die Arnstädter sind sehr freundliche Menschen, es macht viel Spaß“. Auch am Freitagmorgen drückten sich noch vor der Ladenöffnung wieder etliche von ihnen am Schaufenster die Nasen platt.

Während ein paar Meter weiter in Richtung Sparkasse ein weiterer neuer Laden für E-Zigaretten aufgemacht hat wird eine Arnstädter Institution demnächst schließen: die „Lederbörse“, ebenfalls in der Erfurter Straße. Dort hängen die großen Schilder für den Räumungsverkauf wegen Geschäftsaufgabe in den Schaufenstern. Peter Füchsel fällt es nicht leicht, nach fast 20 Jahren seinen Laden zuzumachen. 1999 gründete er das Geschäft – damals noch unter den Kolonnaden in der Erfurter Straße, 2011 zog er nur ein paar Meter weiter in die Arnstädter Fußgängerzone.

„Wir hatten immer einen festen und großen Kundenstamm, auch weil wir Dinge im Angebot hatten, die es eben nicht in den großen Einkaufsmärkten zu kaufen gab – Taschen und Accessoires aus Italien oder Frankreich beispielsweise“, sagt der fast 79-Jährige.

Die Gründe für das Ende der „Lederbörse“ sind eher im Privaten zu suchen – Füchsels Frau, die im Laden mitgearbeitet hat, hatte einen Unfalll. Ohne sie sind die notwendigen Veränderungen im Laden, die Füchsel hätte angehen wollen, nicht zu machen. Eigentlich wollte er das Geschäft umgestalten – auch um mit dem Internethandel konkurrieren zu können. „Das war und ist zwar natürlich auch für uns Konkurrenz, aber weniger, als man vielleicht denkt.“

Die „Lederbörse“ war auch in anderer Hinsicht eine Institution. Bei allen Anlässen – egal ob Stadtfest oder Jazzweekend – machte man mit, holte Handschuhmacher oder Glasbläser in oder vor den Laden, organisierte Malwettbewerbe für Kinder oder war Bühne für Jazzmusiker. Und im alltäglichen Geschäft verteilte Füchsel an Touristen Infomaterial „über unsere wunderschöne Stadt mit ihren vielen tollen Ecken“.

Ihm war – und ist – der Kontakt zu Menschen unheimlich wichtig, „das wird mir sicherlich sehr fehlen“, sagt er mit Wehmut in der Stimme. „Wir sind ja beide schon etwas älter, uns hat es einfach Spaß gemacht, mit den Leuten zu reden und ihnen nicht nur etwas zu verkaufen. Es kamen und kommen ja auch so viele neugierige Fremde hierher, da nimmt man dann auch selbst viel für sich mit.“

Arnstädter sollten stolz auf ihre Stadt sein

Und was wünscht sich Füchsel für die Zukunft? „Dass die Arnstädter ihre Stadt positiv sehen.“ So vieles sei hier passiert, worauf man stolz sein könne, sagt der 1965 hierher Gezogene, Arnstadt sei liebenswert.

Ob das Geschäft ab Juli dann wieder schnell wieder vermietet wird weiß Füchsel nicht. Er wünscht es sich aber – vor allem wünscht er es der Stadt. Und er wünscht es den Händlern ringsum, er selbst war einer mit Leib und Seele.