Berlin. Schmerzen, Ohnmacht, Übelkeit – jahrelang kann Sarah Kube niemand helfen. Erst eine Notfall-Operation zeigt: Sie hat Endometriose.

  • Millionen Frauen in Deutschland leiden an Endometriose
  • Dabei kommt es zu schweren, chronischen Schmerzen
  • Um diese zu bekämpfen, ist eine Betroffene einen radikalen Schritt gegangen

„Beim Ultraschall hat man gesehen, dass mir das Blut bis unter die Rippen stand“, beschreibt Sarah Kube ihre Erfahrung von 2011. Damals wird die heute 34-Jährige wegen inneren Blutungen notoperiert. Was sie bis dahin nicht wusste: Sie ist eine von sieben bis zehn Prozent aller Frauen in Deutschland, die von Endometriose betroffen sind. Bei dieser Erkrankung des Unterleibs wächst Gebärmuttergewebe außerhalb des Uterus.

„Ich hatte das Wort Endometriose vorher noch nie gehört“, erzählt Kube. Jahrelang hatte die junge Frau während ihrer Periode krampfartige Unterleibsschmerzen. Immer wieder verlor sie deswegen das Bewusstsein. Hinzu kamen Probleme beim Stuhlgang, Wasserlassen und Übelkeit. Doch kein Arzt wusste Rat. Kein Einzelfall, im Schnitt dauert es laut der Endometriose-Vereinigung Deutschland sechs Jahre bis zu einer Diagnose.

„Für mich war es normal, am Tag drei bis vier Ibuprofen 600 zu nehmen. Ich konnte gar nicht reflektieren, dass das nicht normal war“, erzählt Kube. Erst als sie 2011 wegen der starken Schmerzen ins Krankenhaus kommt, finden die Ärzte mehrere Endometrioseherde. „Es waren viele kleine Befunde im Bauchfell, im Becken, an der Blase, am Darm, am Harnleiter und am Eierstock“, erzählt Kube.

Man nennt die Krankheit auch Chamäleon der Gynäkologie

Hinter der Diagnose Endometriose stecke ein riesiges Spektrum an Erscheinungsbildern, erklärt Vanadin Seifert-Klauss, Oberärztin am Klinikum der Technischen Universität München. „Deshalb hat die Erkrankung auch den Spitznamen Chamäleon der Gynäkologie.“ Betroffene Frauen hätten häufig starke Schmerzen bei der Periode oder beim Geschlechtsverkehr, Blutungen beim Stuhlgang oder im Urin.

Andere Frauen hätten kaum oder keine Beschwerden und die Endometriose sei dann eine Zufallsdiagnose. „Wenn aber jemand regelmäßig während der Periode umkippt, sehr starke Schmerzen hat und dadurch arbeitsunfähig ist, spätestens dann besteht Verdacht auf Endometriose“, sagt Seifert-Klauss. Zudem hänge ein unerfüllter Kinderwunsch häufig mit dieser Diagnose zusammen.

Die Schleimhaut in der Gebärmutterhöhle, die einmal im Monat aufgebaut und bei nicht vorhandener Schwangerschaft mit dem Menstruationsblut wieder ausgespült wird, wächst bei Endometriose auch außerhalb des Uterus – etwa in der Gebärmuttermuskelwand, aber auch am Harnleiter, dem Darm oder dem Zwerchfell.

Bis zu zehn Prozent der Frauen in Deutschland sind von Endometriose betroffen. Die chronische Erkrankung bringt häufig starke Schmerzen mit sich.
Bis zu zehn Prozent der Frauen in Deutschland sind von Endometriose betroffen. Die chronische Erkrankung bringt häufig starke Schmerzen mit sich. © imago/Westend61 | imago stock&people

Auch nach einer Operation können sich neue Herde bilden

Die Ursache der Erkrankung ist bislang ungeklärt. Defekte und Mutationen in unterschiedlichen Zellen könnten genauso eine Rolle spielen, wie Veränderungen in Hormon-Rezeptoren, Resistenzen oder Entzündungsprozesse, sagt Seifert-Klauss. Eine Operation, bei der die sichtbaren Endometrioseherde entfernt werden, ist eine Behandlungsoption.

Aber danach könnten sich neue Herde bilden, so Seifert-Klauss. Die Wirkung von medikamentösen Therapien halte nach dem Absetzen derzeit nur wenige Monate an. Schmerzlindernd könnten Entspannungstechniken, Achtsamkeitsübungen und eine Ernährungsumstellung wirken.

Hoffnung macht eine Studie an Mäusen, die vor Kurzem im Fachblatt „Science Translational Medicine“ erschienen ist. Das Team um die japanische Forscherin Ayako Muraoka berichtet darin, dass Fusobakterien eine Rolle bei der Entstehung von Endometriose spielen könnten. Sollte sich das bestätigen, könnte langfristig eine Behandlung mit Antibiotika möglich sein.

Seifert-Klauss findet die Ergebnisse interessant, warnt aber vor verfrühter Hoffnung. Für eine Prognose reiche eine Studie mit Mäusen nicht aus. „Wenn es klinische Studien gibt, die weiter in diese Richtung gehen, könnte das vielleicht eine Therapieoption werden.“ Bis man das wisse, werde es mit Sicherheit Jahre dauern. Auch könnten Antibiotika bestehende Endometrioseherde nicht entfernen.

Jahrelang verdrängt Sarah Kube ihre Diagnose

Für Sarah Kube ist die Diagnose damals ein Schock, den sie lange erfolgreich verdrängt. „Ich habe damals einfach geglaubt, dass die Endometriose nicht wiederkommen wird“, erzählt sie. Bis 2015 nimmt sie die Pille und versucht, ihre chronische Erkrankung zu vergessen.

Sarah Knube Vorstandsvorsitzende der Endometriose Vereinigung Deutschland
Sarah Knube Vorstandsvorsitzende der Endometriose Vereinigung Deutschland © Sarah Kube

Als eine große Zyste an ihrem Eierstock gefunden wird, wird ihr klar, dass sie mit der Krankheitsbewältigung beginnen muss. In einer Selbsthilfegruppe findet Kube Antworten auf ihre Fragen. „Mir ist bewusst geworden, dass ich wirklich chronisch krank bin.“ Nun kann Kube anerkennen, dass sie sich ihre Erschöpfung und die Schmerzen nicht einbildet.

Obwohl die Endometriose immer wieder kehrt, wird Kube auf natürliche Weise schwanger. Danach geht die junge Mutter einen radikalen Weg – sie lässt sich die Gebärmutter entfernen. Auch wenn das keine Heilung bedeutet, werden die Schmerzen dadurch deutlich weniger.

Heute engagiert sich Kube als Vorstandsvorsitzende in der Endometriosevereinigung. „Wenn jemand eine Diagnose durch die Endometriose-Vereinigung Deutschland fünf Jahre früher bekommt, dann haben wir viel erreicht“, sagt sie. Man könne sich das ausrechnen. „Wenn man sich überlegt, dass eine Frau fünf Tage im Monat Schmerzen hat, dann sind das 60 Tage im Jahr. Rechnen wir das auf fünf Jahre hoch, hat diese Frau 300 Tage Schmerzen gehabt.“ Das sei fast ein Jahr täglich Schmerzen innerhalb der fünf Jahre.

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