Berlin. Chinesische Wissenschaftler haben bei Schmerzpatienten einen deutlichen Zusammenhang mit neuronalen Alterungserscheinungen entdeckt.

Wer unter chronischen Schmerzen leidet, lebt mit einem erhöhten Risiko auf Altersdemenz. Zu dieser Erkenntnis gelangte ein Team chinesischer Wissenschaftler in einer langfristig angelegten Vergleichsstudie. Gemäß der im Februar 2023 veröffentlichten Untersuchung sind besonders Menschen gefährdet, die unter mehreren dauerhaften Schmerzstellen leiden. Demnach tragen chronische Beschwerden dazu bei, dass ein Teil des Gehirns schneller altert – mit direkten Auswirkungen auf das Erinnerungsvermögen.

Auf Grundlage der britischen Medizin-Biodatenbank ermittelten Forscher der Chinesischen Akademie für Wissenschaften in Peking einen Zusammenhang zwischen dauerhaften körperlichen Leiden und beschleunigten Alterungsprozessen im Hippocampus. Dabei verglich die Forschergruppe um den Psychologen und Studienautor Tu Yiheng die größte Medizin-Datenbank der Welt, die UK-Biobank mit knapp einer halben Million erfassten medizinischen Profilen von Krankenkassenpatienten zwischen 40 und 69 Jahren.

Demenz durch Beschwerden: Je mehr Schmerzquellen, desto schneller baut das Hirn ab

Auf Datengrundlage von rund 19.000 Patientenakten ermittelten die Wissenschaftler nicht nur den Zusammenhang zwischen chronischem Schmerz und Gedächtnisstörungen im Alter, sondern stellten eine sukzessive Risikoerhöhung bei Patienten mit mehreren Schmerzquellen fest. Mit 1,6 Prozent der beobachteten Fälle entwickelten annähernd doppelt so viele Schmerzpatienten über den Vergleichszeitraum von zwölf Jahren Demenzerscheinungen als die 0,9 Prozent schmerzfreien Probanten. Patienten, die nur unter einer dauerhaften Beschwerde litten, entwickelten zu 1,2 Prozent Demenz. Voraussetzung für die Berücksichtigung in der Studie war, dass die Teilnehmer sich einer neuronalen Computertomographie unterzogen.

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Je mehr chronische Schmerzquellen, desto schneller altert demnach der Teil des Gehirns, der maßgeblich für Lern- und Erinnerungsvermögen verantwortlich ist. "Mit anderen Worten, der Hippocampus eines 60-Jährigen mit zwei chronischen Schmerzstellen hat denselben Umfang wie der eines schmerzfreien 62-Jährigen", schrieb das Forscherteam um Studienleiter Tu im wissenschaftlichen Artikel, der im Fachmagazin "PNAS" erschien. Wer bereits in jüngerem Alter Probleme mit der Gesundheit hat, muss sich also auf altersbedingte Folgeerscheinungen einstellen. Die Gehirn-Scans förderten zutage, dass die Masse des Hippocampus bei Schmerzpatienten mit fünf Beschwerden viermal schneller abbaut als bei Probanden mit zwei Schmerzstellen – damit altern Gehirne mit multipler Schmerzpathologie um acht Jahre schneller.

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1,8 Millionen Deutsche leiden unter Demenz und Alzheimer

Die chinesischen Wissenschaftler machen in ihrer Studie gestörte Prozesse im zentralen Nervensystem für die schwindende Hirnmasse verantwortlich. So stresst das neuronale Dauerfeuer chronischer Beschwerden die Gehirnstruktur. In der Folge degenerieren unter dem Eindruck der Überbelastung die Bereiche im Hirn, die für die Verarbeitung von Reizen und deren Übertragung vom Kurzzeit- ins Langzeitgedächtnis.

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Zu den bereits zuvor gesicherten Faktoren, die die Entwicklung von Demenz begünstigen gehören unter anderem Bluthochdruck, Herzrhythmusstörungen, Diabetes und Gefäßerkrankungen. Adipositas, vor allem durch den Verzehr ungesunder Fette, Rauchen, Alkoholkonsum und ein Mangel an körperlicher Betätigung befördern ebenso die Entwicklung von Alzheimer oder Demenz. Laut einer Schätzung der Deutschen Schmerzliga leben in der Bundesrepublik rund 12 bis 15 Millionen Menschen mit dauerhaften Beschwerden, die Deutsche Alzheimer Gesellschaft rechnet, Stand 2022, mit rund 1,8 Millionen Demenzerkrankten, Tendenz steigend.