Köln/Eschweiler (dpa/tmn). Ziehen und Pöbeln: Das sind die größten Probleme am anderen Ende der Leine, mit denen Hundebesitzer beim Gassigehen zu kämpfen haben. Was die Ursachen dafür sind - und was Sie dagegen machen können.

Der Spaziergang mit Hund kann so schön sein: Wenn er denn fröhlich und aufmerksam neben einem herdackelt, die Leine locker durchhängt und er sogar entspannt bleibt, wenn ihm sein Erzfeind entgegenkommt. Die Realität sieht allerdings oft anders aus. Häufig gibt es mächtig Stress bei den Gassirunden. Warum ist das so?

Die Sozialpsychologin, Hundetrainerin und Autorin („An lockerer Leine“) Jeanette Przygoda sagt: „Ich denke: Mensch und Hund sind beide ein Stück weit Schuld, wenn es Probleme an der Leine gibt“.

„Kein Hund kann entspannt an der Leine laufen, wenn der Halter nicht entspannt ist“, erklärt Andreas Ohligschläger, Mensch-Hund-Coach und Autor („Seelenpartner Hund“) aus Eschweiler. Der Hund frage sich dann so etwas wie: „Was willst du mir eigentlich zeigen, lieber Zweibeiner? Du bist doch selbst unzufrieden, nicht ausgelastet und voll mit aufgestauter Energie!“

Eine Disposition zum Leine-Zerren gibt es aber schon auch: Ein Terrier springt womöglich schnell auf Reize an, ein Neufundländer hat vielleicht ein eher gemütliches Wesen und ein verängstigter Hund aus dem Tierschutz vielleicht Traumatisches in der Vergangenheit erlebt, was sich ungünstig auswirkt.

Das Anti-Zerr-Training startet für jeden Hund und jedes Herrchen trotzdem gleich. Die erste Lektion lautet: Gelassenheit üben.

Tipp 1: In Ruhe starten - so geht’s

Der erste Schritt bei jedem Spaziergang beginnt an der Haustür: „Wenn ihr nicht wollt, dass euer Hund euch draußen durch die Gegend zieht, müsst ihr schon drinnen Ruhe in die ganze Sache bringen“, rät Ohligschläger. Also: Selbst erst mal herunterkommen, entspannen, sich Zeit lassen beim Fertigmachen von Mensch und Tier.

„Ist Ihr Hund sehr aufgekratzt, machen Sie nach dem Anlegen des Halsbandes erst mal eine Pause, bis er sich entspannt hat!“, rät Hundetrainerin Przygoda. Erst wenn sich der Vierbeiner halbwegs beherrschen kann, sollte man die Tür öffnen.

Keinen Meter Strecke zurückgelegt und trotzdem schon entnervt? Grämen Sie sich nicht. Sie sind bereits mitten in den Übungen zur Leinenführigkeit. Tröstliche Worte von der Expertin: „Wenn es zunächst 20 Minuten dauert, bis Sie loskönnen, werden es bald nur noch fünf sein“, so Przygoda. Und: „Die Ausdauer lohnt sich.“

Tipp 2: Nehmen Sie Ihrem Hund Entscheidungen ab

Trifft der Hund zu Hause die Entscheidungen, tut er das gern auch draußen. Dann zieht er nicht nur an der Leine und gibt Geschwindigkeit und Richtung vor, sondern spielt sich auch auf, wenn ihm Artgenossen begegnen.

Konsequenz ist deshalb wichtig. Schon im Haus sollten klare Regeln selbstverständlich sein. Denn beim täglichen Zusammensein zu Hause wird oft der Grundstein für Fehlverhalten an der Leine gelegt.

Der Hund sollte dem Herrchen außerdem möglichst viel Aufmerksamkeit schenken. Hier können kleine Übungen helfen: dem Hund vorsichtig den Weg abschneiden, immer mal wieder anhalten, rückwärtsgehen, umkreisen, Tempowechsel oder Slalom, empfiehlt Expertin Przygoda.

Tipp 3: Eigenes Verhalten reflektieren

Wer in bestimmten Situationen den Hund immer kurz hält, harte Kommandos gibt oder an der Leine ruckt, signalisiert dem Hund: „Jetzt droht Gefahr, die Situation kann nur noch eskalieren!“ Leinen-Aggression ist die logische Flucht nach vorn.

„Hunde, die wirklich die Konfrontation suchen, haben das oft durch den Menschen gelernt - auch wenn der sich darüber gar nicht bewusst ist“, so Trainer Ohligschläger. Um auf solche Signale in Zukunft zu verzichten, lohnt es sich, sein Verhalten zu reflektieren.

Tipp 4: Auf Signale der Hunde achten und reagieren

Hunde kommunizieren sehr fein. Oft entgeht dem Menschen am anderen Ende der Leine ein kompletter nonverbaler Dialog. Und dann droht Stress. „Vielleicht habe ich es gar nicht bemerkt, dass der andere Hund schon fixiert und Drohverhalten zeigt“, so Jeanette Przygoda.

Manchmal reicht da schon eine kleine Geste. Und weil die Hunde an der Leine keine Ausweichmöglichkeit haben und nicht - wie es üblich wäre - erst mal einen Bogen umeinander gehen oder irgendwo teilnahmslos schnüffeln können, gehen Sie in die Offensive. Sie knurren oder springen in die Leine. „Wenn man dann an der Leine ziehend weitergeht, hat der Hund auch noch eine richtig doofe Lernerfahrung gemacht, weil er meint: Wir haben überlebt, weil ich mich so verhalten habe“, sagt die Hundetrainerin.

Das hilft: Nicht frontal mit zwei Hunden aufeinander zuzugehen, stattdessen die Distanz vergrößern und einen kleinen Bogen machen.

Tipp 5: An der eigenen Körpersprache arbeiten

Hunde orientieren sich am Menschenkontakt. Seien Sie bei angespannten Hundebegegnungen deshalb offen und kommunikativ. „Ich bin immer total freundlich zu den anderen Hundehaltern“, sagt Andreas Ohligschläger. Es gebe nämlich nichts Besseres als das eigene „kontraproduktive“ Verhalten. Dass man sich also nicht auf die Energie des Hundes einlässt, sondern positiv dem Gegenüber begegnet.

Der Hundeprofi und Tierschützer weiß, dass das am Anfang schwer ist. Hundehalter sind eben auch nicht immer sympathisch. Vielleicht müsse man dazu über den eigenen Schatten springen, so Ohligschläger. Doch wer erst einmal die Wirkung auf den eigenen Vierbeiner erlebt hat, dem wird das von Mal zu Mal leichter fallen.