Eberswalde/Berlin (dpa/tmn) –. Viele denken beim Reisen ans Klima. Zug statt Flug ist dann eine naheliegende Devise im Sinne der Umwelt - durchaus auch für längere Routen. An Optionen mangelt es nicht, höchstens an der Zeit dafür.

Mit vier Umstiegen in zwei Tagen an die Algarve in Portugal oder im direkten Nachtzug von Berlin in die schwedische Hauptstadt Stockholm: In Europa mit seinem durchaus vorzeigbaren Netz aus Schnell- und Nachtzügen sind von Deutschland aus auch längere Reisen auf der Schiene machbar.

Sie können eine entschleunigte Alternative zum emissionsträchtigen Fliegen sein – vorausgesetzt, man scheut die Reiseplanung nicht und hat es nicht eilig. Denn klar ist: Schneller als in der Luft geht es via Schiene (und Straße) nur in den seltensten Fällen, und auf größeren Distanzen von 1000 Kilometer und mehr schon gar nicht.

„Natürlich hat man vielleicht zeitliche Einbußen“, sagt Professor Wolfgang Strasdas. Doch man müsse das auch ein Stück weit relativieren: Im Zug werde die Anreise selbst schon zu einem Teil des Urlaubserlebnisses. Und wer beruflich unterwegs ist, also auf Geschäftsreise, kann im Zug effektiver arbeiten als im Flieger, so der Tourismusforscher von der Hochschule für nachhaltige Entwicklung in Eberswalde.

Inspiration mit spannenden Reiserouten

Das wichtigste Argument ist aber der Klimaschutz. Dass der Flieger auch auf längeren Strecken nicht alternativlos ist, zeigt das online kostenlos verfügbare Handbuch „Reisen mit Klimaschutzfaktor - Klimafreundlich unterwegs auf der Mittelstrecke in Europa“, an dem Strasdas mitgearbeitet hat (http://dpaq.de/nk5LZ).

Darin sind für 22 europäische Urlaubsziele verschiedene Anreisearten aus Deutschland aufgelistet. Sie werden hinsichtlich der Treibhausgas-Emissionen, die man als Reisender verursacht, und der Reisezeit verglichen. Der Fokus liegt klar auf Alternativen zum Fliegen, also vor allem auf Routen mit Zügen.

Dabei zeigt sich dreierlei:

1) Was es für spannende Routen auch in fernere Länder gibt – etwa nach Norwegen, nach Spanien oder auf den Balkan. Teilweise geht es mit der Fähre übers Meer, mit Nah- und Fernbussen durch Städte oder übers Land und natürlich in Schnell-, Nacht- und Regionalzügen über die Gleise des Kontinents.

Auch wenn die Verbindungen im Dezember 2022 recherchiert wurden und teilweise nicht mehr dem aktuellsten Stand entsprechen dürften, so zeigt sich: Eine Menge ist möglich.

2) Die Kehrseite ist: Es kostet im Vergleich viel Zeit. Bei Zielen, die nur mehrere hundert Kilometer entfernt liegen, bringen Flüge mitunter noch keinen allzu großen Zeitvorteil. Was vor allem auch an der Extrazeit an den Airports für Check-ins und Sicherheitskontrollen und an der An- und Abfahrt zu den Flughäfen liegt. Doch mit der Distanz wächst die Reisezeit auf der Schiene im Vergleich zum Fliegen massiv.

Beispiel Algarve: Während man von Deutschland nach Faro, wo der Flughafen liegt, mit dem Flugzeug rund acht Stunden braucht, sind es auf der Schiene rund 36 Stunden, heißt in dem Reisehandbuch. Dabei sind die Wartezeiten am Airport schon einkalkuliert.

3) Unter Klimagesichtspunkten liegen Zug und Fernbus wenig überraschend weit vor dem Fliegen. Erneut das Beispiel Algarve: Bei einer angenommenen Anreise von Frankfurt am Main nach Faro mit der Bahn fielen den Berechnungen zufolge 60 CO2-Äquivalente an Emissionen pro Reisenden an. Im Fernbus wären es 150. Bei einem Direktflug 985.

Zeit, Klima und Geld - eine Abwägung

Zwischenfazit: Der Zeitfaktor spricht oft gegen den Zug, außer man begreift die Anreise als Teil des Trips. Doch wer nur zwei Wochen Urlaub hat, überlegt sich vermutlich zweimal, ob er dafür mehrere Tage An- und Abreise in Kauf nimmt, um etwa nach Portugal zu kommen.

Der Blick aufs Klima spricht für die Schiene. Das Umweltbundesamt bezeichnet Fliegen als klimaschädlichste Art der Fortbewegung. Flugreisen seien für viele Reisewünsche wegen der großen Entfernungen zwar quasi zwingend, aber innerhalb Deutschlands und Europas gebe es häufig umweltfreundlichere Alternativen mit Bahn oder Bus.

Ob man die nutzt, ist neben der Zeit- auch eine Geldfrage. Gerade wer komfortabel in Zügen reisen möchte und sich beispielsweise im Nachtzug eine Schlafkabine gönnen will, zahlt oft erheblich mehr für eine Strecke als im Flieger.

Rechtzeitige Buchung kann Kosten drücken

Wobei der Preis von vielen Faktoren abhängt, unter anderem dem Buchungszeitpunkt. Wolfgang Strasdas verweist etwa auf die begrenzt verfügbaren Europa-Sparpreise der Deutschen Bahn: „Wenn ich rechtzeitig buche, dann gibt es durchaus sehr interessante Tarife, wo man für sehr wenig Geld zum Teil sogar in der ersten Klasse fahren kann.“ Eine weitere Option, um unter dem Strich günstig über den Kontinent zu reisen, sind Interrail-Tickets.

Dennoch ist nicht von der Hand zu weisen: Bahnfahren kostet oft genug mehr als die Flugalternative. Für Strasdas liegt hier ein Kern des Problems: „Das ist doch der eigentliche Skandal: Dass das, was umweltfreundlich ist, teurer ist als das, was umweltschädlich ist.“

Der Tourismusforscher, der sich klar für Zugreisen auch auf Mittelstrecken ausspricht, würde sich wünschen, dass die Preise für Verkehrsmittel die realen Kosten in Bezug auf Klima und Umwelt widerspiegeln müssen. „Dann hätten wir die Situation so, wie sie sein müsste: Nämlich, dass Bahnfahren immer billiger ist als Fliegen.“

Wer selbst die Zusammenstellung eines langen Trips auf der Schiene scheut, kann sich an darauf spezialisierte Bahnreiseagenturen wenden. Einen Überblick über verschiedene Anreiseoptionen zwischen zwei Orten – von Flug bis Zug – bietet etwa die Online-Suchmaschine „Rome2rio.com“.