Cochem/Zell. Eigenes Fahrzeug, eigener Gaskocher, eigene Toilette - kontaktarmer Urlaub mit Wohnmobilen scheint gut ins Corona-Frühjahr zu passen. Doch die Wirklichkeit sieht anders aus. An idyllischen Orten kommt es zu Streit. Betreiber von Campingplätzen sind erbost.

Urlaubsgefühle im Corona-Frühling: Benjamin und Lena sitzen neben ihrem Wohnmobil in den Weinbergen und lassen ihre Blicke über die Mosel bei Zell schweifen. "Im Prinzip suchen wir nur nach schönen Flecken, die ein bisschen Aussicht versprechen und möglichst abgelegen sind", sagt Benjamin.

Mit Blick auf Corona ergänzt er: "Was Sichereres könnten wir eigentlich uns nicht vorstellen." So wie dieses Paar aus dem baden-württembergischen Sipplingen denken nun viele. Besonders an Feiertagen und Wochenenden erlebt Rheinland-Pfalz einen Ansturm von Wohnmobilen an Rhein, Mosel und anderen idyllischen Orten. Endlich mal wieder Kurzurlaub machen. Nach einem Jahr Pandemie wenigstens etwas Freiheit genießen.

Campingplätze geschlossen

Doch die Campingplätze sind gegenwärtig zwangsweise geschlossen, Bundes- und Landesregierung rufen dazu auf, auf touristische Reisen zu verzichten: je weniger Kontakte und Mobilität, desto weniger Risiken im Kampf gegen die Pandemie mit vielen Kranken und Toten. Das rheinland-pfälzische Wirtschaftsministerium verweist auf geschlossene Ferienwohnungen und touristische Hotels sowie auf nächtliche Ausgangsbeschränkungen: "Da wäre es nicht vermittelbar, dass Leute auf die Campingplätze dürften." Laut dem Gesundheitsministerium haben auch Dauercamper in Rheinland-Pfalz Pech. Nur wenn ihre Parzelle als Zweitwohnsitz angemeldet ist, dürfen sie diese für zwingend nötige Arbeiten wie Baumschnitt ausnahmsweise kurz betreten.

Sich für Urlaubsnächte einfach auf einen Parkplatz zu stellen ist für Wohnmobilfahrer in der Regel verboten. Nur zur sogenannten Wiederherstellung der Fahrtüchtigkeit können Übernachtungen auf geeigneten Plätzen ausnahmsweise möglich sein. Der Bürgermeister der Verbandsgemeinde Cochem, Wolfgang Lambertz (CDU), weiß: "Das ist immer mal wieder ein Diskussionspunkt." Mitarbeiter von Ordnungsämtern können ein Lied davon singen - sie kontrollieren Wohnmobile in touristischen Gegenden.

Wenig Verständnis bei Wohnmobilisten

"Die Wohnmobilisten reagieren eigentlich oft mit etwas Unverständnis", sagt Lambertz. "Das kann man auch verstehen, die reisen an, die wollen auch eine schöne Zeit haben. Wir sind ja normal auch sehr froh, dass wir Gäste haben." Nur momentan sei dies eben schwierig. Es sei auch geschlossenen Hotels und Pensionen nicht zu vermitteln, wenn sich Wohnmobilfahrer direkt davor stellten.

Dirk Merlin aus Hessen steht mit seinem Camper gerade in Cochem an der Mosel am Straßenrand und sagt: "Meine Frau und ich, wir haben weniger Kontakte wie zu Hause, weil wir einfach in einem Ballungsgebiet wohnen und wir hier deutlich mehr Freiräume haben."

Viele Kurzurlauber mit ihren eigenen vier Wänden auf Rädern wissen wohl gar nicht, was erlaubt und was verboten ist. Sophia und Fabian sind mit ihrem Wohnmobil aus dem Schwarzwald an die Mosel gekommen, Sophia sagt zu ihren Übernachtungen: "So viel ich weiß, wenn man nichts ausklappt und nichts vorne dran stellt, ist es zulässig." Sie fügt hinzu: "Dann ist es kein Camping, sondern nur ein Stehen."

Immerhin, Sophia und Fabian haben eine Idee: Sie sind beide Landwirte und fragen einfach einen anderen Bauern bei Zell. Fabian erzählt: "Er hat gesagt, da hinten ist ein kleiner Platz neben dem Stall, da haben wir das Wohnmobil hingestellt, da haben wir unsere Ruhe. Wir haben dem Mann zehn Euro in die Hand gedrückt."

Ausnahmen für autarke Camper gefordert

Der Geschäftsführer des Verbands der Campingplatzunternehmer Rheinland-Pfalz und Saarland, Heinrich Lang, fordert die kontrollierte Öffnung von Campingplätzen zumindest für autarke Wohnmobile und Wohnwagen mit eigenen Toiletten und Duschen bei weiterer Sperrung der gemeinsamen Sanitärräume. Er hofft besonders auf Wochenenden, Feiertage und die Sommerferien. "Die Situation verschärft sich, wir können die Wohnmobile nicht mehr im Zaum halten", warnt Lang. "Es gibt groteske Fotos von abgesperrten leeren Wohnmobilplätzen, vor denen 20 Wohnmobile parken." Auch Waldränder und Weinberge würden heimgesucht und WC-Kassetten dort entleert.

Die Betreiber von elf Campingplätzen im Land haben kürzlich in einem Schreiben unter anderem an die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) ebenfalls auf Öffnungen für autarke Camper mit einem strikten Hygienekonzept gepocht. "Der wirtschaftliche Schaden, den die Betreiber bislang verbuchen, ist immens und gefährdet die Existenz der Unternehmen sowie tausende Arbeitsplätze", heißt es auch mit Blick auf die nächsten Bund-Länder-Gespräche über die Corona-Krise, die inzwischen abgesagt wurden.

Einer der Unterzeichner ist Oliver Schupp, der in Fachbach an der Lahn einen Campingplatz betreibt. "An Ostern zum Beispiel waren wir schon ausgebucht. Da haben wir 15.000 bis 20.000 Euro Umsatz verloren", klagt er. Aus der Not geboren bieten Oliver Schupp und seine Frau Jessica - wie auch manche anderen Kollegen - an Wochenenden Wohnmobil-Dinner an. Tagsüber dürfen Camper dann auf dem Campingplatz stehen und Essen entgegennehmen. Abends müssen sie bis 21.00 Uhr vom Platz verschwinden. Schupp sagt: "Dann stellen sie sich in die Nähe auf Parkplätze mit vielleicht nur einem Meter Abstand."

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