Erfurt. Gegen das neue Thüringer Hochschulgesetz ist Verfassungsbeschwerde eingelegt worden. Wissenschaftler sehen sich in Grundrechten verletzt – nicht nur juristisch halten sie die Regelungen für problematisch.

32 Hochschullehrer haben nach eigenen Angaben gegen das neue Thüringer Hochschulgesetz Verfassungsbeschwerde in Karlsruhe eingelegt. Sie sehen durch die Gesetzesnovelle ihr Grundrecht der Wissenschafts- und Lehrfreiheit verletzt, wie der Landesverband des Deutschen Hochschulverbandes (DHV) am Donnerstag mitteilte. Das Bundesverfassungsgericht muss nun zunächst klären, ob es die Beschwerde zulässt.

Der Landtag hatte das neue Hochschulgesetz im vergangenen Jahr beschlossen. Es sollte vor allem zu mehr Mitbestimmung - etwa von Studenten - führen. Vor der Verabschiedung im Parlament hatte es lange Diskussionen über das Gesetz gegeben. Die Novelle sieht unter anderem vor, dass in bestimmten Hochschulgremien künftig Hochschullehrer, Studenten, wissenschaftliche Mitarbeiter und Personal im Bereich Technik und Verwaltung zu gleichen Teilen vertreten sind.

Damit sollen alle Gruppen gleichberechtigt an Entscheidungen mitwirken. Bei der Berufung von Hochschullehrern und bei anderen Themen, die Forschung und Lehre betreffen, soll nach dem Gesetz der Anteil der Professoren jedoch so erhöht werden, sodass sie eine Stimmenmehrheit in dem jeweiligen Gremium haben.

Der Landesvorsitzende des Deutschen Hochschulverbandes, Klaus Gürlebeck, kritisierte, dass bei der Entscheidung über das erweiterte Gremium ausgerechnet diejenigen eine Stimmenmehrheit hätten, die nicht Verantwortungsträger von Forschung und Lehre seien.

Zudem könne diese Regelung in der Praxis „große Schwierigkeiten“ bereiten, sagte Gürlebeck. Das beginne bei der Frage, welche Themen Forschung und Lehre überhaupt betreffen.

Wissenschaftsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) erklärte, er sehe die Verfassungsbeschwerde gelassen. Das Hochschulgesetz sei an die aktuelle Rechtssprechung des Bundesverfassungsgerichts angepasst. „Die Hochschullehrermehrheit ist in allen Fragen von Forschung und Lehre sichergestellt“, erklärte Tiefensee. Er sei zuversichtlich, dass das Karlsruhe seine Verfassungsmäßigkeit bestätigen werde.

Der Erfurter Staatsrechtler Hermann-Josef Blanke erklärte, in dem novellierten Hochschulgesetz fehle vor allem die Möglichkeit der Hochschullehrer, sich „zumindest notfalls selbstbestimmt“ und gegen die Stimmen der anderen Gruppen von der Hochschulleitung trennen zu können. Blanke ist Prozessvertreter für die Hochschullehrer, die in Karlsruhe Beschwerde eingereicht haben.

Kritisch sehen die Hochschullehrer auch die neue Regelung, dass es bis auf einige Ausnahmen keine Anwesenheitspflicht der Studenten mehr geben soll. „Das richtet sich unserer Meinung nach gegen die Freiheit der Lehre“, sagte Gürlebeck. Seiner Meinung nach sollten Lehrende ihre Kurse so gestalten können, das sie zum Erfolg führten. Dazu könne auch eine Anwesenheitspflicht gehören.

Der wissenschaftspolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Mario Voigt, erklärte, die paritätische Besetzung der Hochschulgremien sei verfassungsrechtlich fragwürdig. „Dieses Gesetz lähmt die Hochschulen durch die Gefahr endloser Debatten“, kritisierte Voigt.