Erfurt. Bundesdeutsche Sicherheitsbehörden hätten die rassistische NSU-Mordserie verhindern können. Davon zeigt sich der 2. NSU-Untersuchungsausschuss im Thüringer Landtag überzeugt.

Bundesdeutsche Sicherheitsbehörden hätten die rassistische NSU-Mordserie verhindern können. Davon zeigt sich der 2. NSU-Untersuchungsausschuss im Thüringer Landtag überzeugt. Voraussetzung dafür wäre gewesen, dass „alle Sicherheitsbehörden bereits 1998 und 1999 vorliegende Informationen zum untergetauchten Kerntrio richtig ausgewertet, analysiert und bei der Zielfahndung zusammengefasst“ hätten, heißt es im gestern in Erfurt offiziell vorgestellten Abschlussbericht des Gremiums.

Der 2015 eingesetzte Ausschuss arbeitete unter der Überschrift: „Rechtsterrorismus und Behördenhandeln“. Es tue weh, das Aufklärungsziel nicht umfassend erreicht zu haben, räumt die Ausschussvorsitzende Dorothea Marx (SPD) ein. Vor allem das Überprüfen von Vertrauenspersonen bei der Polizei auf mögliche Verbindungen in die Bereiche Rechtsextremismus und organisierte Kriminalität sei nicht gelungen. Das Thüringer Innenministerium habe die Einsicht in die entsprechenden Akten verweigert.

Landtagpräsidentin Birgit Diezel (CDU) erinnert bei der Übergabe des 2204 Seiten umfassenden Dokuments noch einmal an die Fassungslosigkeit, als im November 2011 bekannt wurde, dass ein rechtsextremistisches Netzwerk mordend durch Deutschland ziehen „und fast unbehelligt unter dem Radar unserer Sicherheitsbehörden agieren“ konnte.

Als Konsequenz aus den Ermittlungs-, Kommunikations- und Aufklärungspannen fordert der Ausschuss unter anderem eine Fehlerkultur bei den Ermittlungsbehörden einzuführen. Noch zu häufig sei das Gremium bei Polizei und Verfassungsschutz auf einen Korpsgeist getroffen, der die Aufklärung erschwert habe. Deutlich kritisiert der Ausschuss die Einsatzleitung und die Tatortarbeit nach dem Auffinden des NSU-Wohnmobils im November 2011 in Eisenach- Stregda.

Das Gremium fordert den Aufbau eines NSU-Archivs. Dort sollten sowohl die Ausschussakten, aber auch Unterlagen von Polizei und Verfassungsschutz, zentral aufbewahrt werden, sagte die Obfrau der Linkspartei, Katharina König-Preuss. Das Archiv solle der weiteren Aufklärung dienen und Journalisten, Wissenschaftlern, aber auch den Angehörigen der Opfer einen Zugang zu den Akten ermöglichen.

Die NSU-Terrorristen Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt hatten für ihre Verbrechen ein breites Netzwerk von Unterstützern, dessen Teile noch immer existieren. Der Ausschuss verweist auf Strukturen wie „Blood & Honour“ und „Combat 18“.

Mehrere Ausschussmitglieder sprechen sich dafür aus, auch in der kommenden Legislaturperiode weiter aufzuklären. Dafür brauche es nicht zwingend einen neuen Untersuchungsausschuss, heißt es. Der gestern vorgestellte Abschlussbericht soll heute auf einer Sondersitzung im Landtag beraten werden. Zur Debatte werden auch Angehörige der NSU-Opfer im Landtag als Gäste erwartet. Diese Sitzung ist die voraussichtlich letzte vor der Landtagswahl.

Leitartikel